Thommie Bayer: Sieben Tage Sommer, Piper Verlag, 160 Seiten, €22,00, 978-3-492-07044-7

„Trotzdem wird mir klar, dass das Ganze ein leicht degoutantes Unterfangen ist. Es hat was von einem altmodischen Theaterstück, bei dem man nur drauf wartet, dass alle aufeinander losgehen. Oder von einem Krimi, an dessen Ende sich herausstellt, dass die zweite von vier Leichen der Mörder war.“

Der siebzigjährige Max Thorberg, ein reicher Banker, der zurückgezogen in der Schweiz lebt, vertraut einer sehr viel jüngeren Freundin namens Anja sein großes Haus in der Nähe von Saint-Tropez an. Hier soll sie als Hauswirtschafterin fünf Leute, die Thorberg von früher kennt, für sieben Tage umsorgen. Anja, eigentlich Architektin von Beruf, berichtet Max nun regelmäßig von den Geschehnissen in der Villa. Schnell wird geklärt, was der sehr diskrete Max, der nie auch nur einen Tag Geldsorgen hatte, mit den ehemals befreundeten Leuten zu tun hat. Vor dreißig Jahren haben diese fünf ihm das Leben gerettet. Nach dem Tod seiner Frau hatte sich Max in die Einsamkeit zurückgezogen. Auf einer Wanderung in Frankreich wurde er an einem Steilhang von zwei Männern überfallen. Bevor es zum Ärgsten kommen konnte, Max vermutete damals, er sollte entführt werden, vertrieben fünf deutsche Wanderer die Angreifer. Allerdings stürzte einer der Täter in die Tiefe. Aus Angst vor Verwicklungen mit der französischen Polizei kamen alle mit Max zu dem Schluss, dass sie über den Überfall stillschweigen bewahren.

Nun sitzen sich Jan, Danielle, Julia, Hans und André gegenüber und haben sich wenig zu sagen. Im Laufe der Zeit hatte sich ihre Freundschaft in Luft aufgelöst. Alle warten nur auf Max, den sie nach dem tragischen Ereignis nie wiedergesehen haben. Dabei hat Max, auch mit Privatdetektiven, die Lebenswege der fünf verfolgt und auch finanziell oder mit Beziehungen bei der einen oder anderen Karriere nachgeholfen. Max fühlt sich diesen Menschen verbunden, aber er kennt sie natürlich nicht. Anja soll nun mit ihrer feinen Art genau zuhören, beobachten und Max berichten.
Per E-Mail tauschen sie sich jeden Tag aus und nach und nach gewinnen die Lesenden ein Bild vom
Leben der fünf Personen, das bei den einen gut verlaufen ist, bei den anderen eher tragisch.
Bei exzellentem Wein und hervorragendem Essen könnten die fünf ihre Tage in Südfrankreich genießen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Prüft Jan im Keller, wie teuer die Weine sind, um sie dann klammheimlich in sein Auto zu schaffen, kapselt sich Julia ab und schaut nur auf ihr Smartphone.
Niemand interessiert sich wirklich für den anderen. Anja versucht ihr Bestes, um die Gäste zu verwöhnen. Jan, der als Nachrichtenredakteur bei einem Sender in Leipzig arbeitet, jedoch ist maulfaul, und gibt oft vor zu arbeiten. Danielle und André, den Anja immer noch am sympathischsten findet, kommen sich langsam näher. Hans, der als Schauspieler eher in den Nebenrollen brilliert, spielt eher den idiotischen Clown in der Runde. Es wird viel zu viel getrunken und eher oberflächlich geredet. Schuldgefühle hat niemand, wenn das Gespräch auf diesen einen Tag vor dreißig Jahren kommt. Danielle hatte, was niemand wusste, anonym die Polizei informiert. André ist damals noch auf der anderen Seite des Abhangs entlang gefahren, um zu sehen, ob jemand verletzt ist.
Max schreibt Anja schon sehr früh, dass er gar nicht die Absicht hat, den fünf Leuten gegenüber zu treten. Seine Einladung hat einen Hintergedanken und dieser hat mit einem hochdotierten Posten und auch mit Anja zu tun.

So richtig schlau wird man aus diesem E-Mail-Roman nicht, denn man glaubt immer, man habe etwas Wichtiges überlesen oder irgendetwas Spektakuläres wird gleich enthüllt oder alle gehen wirklich aufeinander los. Aber das ist nicht der Fall. Es ist immer Hören-Sagen, was von Anja vermittelt wird. Wer diese Personen wirklich sind, bleibt im Dunkeln. Geht es Thommy Bayer um die Gleichgültigkeit, mit der Menschen auf ihren Wegen ihre Freunde einfach so verlieren? Ist das Schicksal, dass Menschen zusammenführt, einfach unberechenbar? Kann der Mensch nicht glücklich sein und den Augenblick genießen? Tut es einfach gut, wenn man als Wohltäter anderen das Leben leichter machen kann? Geht es um Altruismus, den man sich leisten kann und Egoismus, der einfach menschlicher ist?

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