Georges Simenon: Maigret in Arizona, Aus dem Französischen von Jean Raimond und Mirjam Madlung, Kampa Verlag, Zürich 2021, 224 Seiten, €17,90, 978 3 311 12548 8

„Es war die fröhliche Laune eines Mannes, der keine Alpträume hat, der mit sich selbst und mit anderen im Reinen ist. So waren sie fast alle, und gerade das ging Maigret auf die Nerven. Es kam ihm vor wie ein zu sauberes, zu gut gewaschenes und gebügeltes Kleidungsstück.“

Die Neue Welt ist doch eine ganz andere, die Maigret da besucht, um sich mit der amerikanischen Polizeiarbeit vertraut zu machen. Kaum angekommen muss der berühmte französische Kommissar auch noch seinen Vornamen preisgeben: Julius. Und er muss unter Beweis stellen, dass er so einige Prozente verträgt, denn Alkohol trinken scheint hier in Arizona ein Volkssport zu sein und das bereits vor dem Frühstück. Maigret hat ziemlich zu leiden, denn nicht nur die Hitze nervt, sondern auch die joviale Art seines amerikanischen Begleiters, Harry Cole. Maigret beobachtet, dass es den Amerikanern mit einem moralisch sehr engen Korsett finanziell gut geht, doch wie sieht es mit ihrem Innenleben aus?
Bevor Maigret mit Cole einen Ausflug an die mexikanische Grenze unternimmt, will er doch sehr gern an einer Vernehmung im Gerichtssaal teilnehmen. Immerhin soll er ja das amerikanische Justizsystem studieren. Entspannt kann er sich, trotz herrschender Hitze, zurücklehnen und den Befragungen folgen. Doch es kommt ganz anders.

„Maigret kochte. Er hätte den kleinen Richter am liebsten geschüttelt und gesagt: Haben Sie denn noch nie im Leben einen Zeugen in die Zange genommen? Oder stellen Sie die wesentlichen Fragen absichtlich nicht?“

In der Verhandlung mit Geschworenen geht es um einen Fall, in dem nicht ganz klar ist, ob es sich um einen Unfall, Selbstmord oder gar Mord handelt. Fünf freiwillige Männer der Luftwaffe waren in angetrunkenem Zustand mit der siebzehnjährigen Bessy Mitchell unterwegs. Am Ende der Tour ist Bessy tot. Ihr Körper wurde auf den Bahngleisen von einer Lokomotive zerrissen.
Sergeant Ward wollte Bessy angeblich heiraten, allerdings ist er bereits verheiratet und erwartet mit seiner Frau das dritte Kind. Auch Bessy hatte bereits einmal geheiratet, ließ sich aber wieder von ihrem kriminell gewordenen Mann scheiden. Sie wohnt gemeinsam mit Erna Bolton in einer ziemlich teuren Wohnung, was annehmen lässt, dass sie noch über weitere Einnahmen verfügen.
Allerdings hat Maigret den Eindruck, dass in der amerikanischen Justiz über moralische Verfehlungen öffentlich nicht gesprochen wird. Auch hat er keinen Einblick in die Untersuchungsakten. Allerdings hat der Leser den Eindruck, dass die Spurensicherung und auch die Polizei sehr akribisch gearbeitet haben. Maigret jedoch fehlt eine bestimmte Spur, denn was kann nicht alles zwischen fünf total angetrunkenen Männern und einer ebenfalls betrunkenen Frau passieren. Verhaftet werden die fünf Männer dann wirklich, allerdings dafür, dass sie zugelassen haben, dass Bessy nicht volljährig Alkohol trinkt.
Mag Maigret vor seiner Abreise Richtung Kalifornien so einiges über das amerikanische Rechtsverständnis gelernt haben, den Schuldigen erkennt er natürlich vor all den so locker wirkenden Polizisten und Gerichtsangehörigen.

Unterhaltsame Lektüre über Kommissar Maigret auf Dienstreise, bei der er wirklich seine Jacke ablegen muss und nicht verstehen kann, warum man zum Essen immer nur kaltes Wasser trinken darf, aber in jeder Bar oder jedem Club Unmengen an Bier und Whiskey. Einmal bestellen seine amerikanischen Kollegen für ihn französischen Wein. Geht doch!

Optisch fein gestaltetes Cover für diese neu übersetzte Reihe im Kampa Verlag!