Shulamit Lapid: Lokalausgabe – Lisi Badichis erster Fall, Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler, Dörlemann Verlag, Zürich 2022, 352 Seiten, €19,00, 978-3-0382-0108-3

„Er machte sie immer und überall ausfindig, sagte, was er zu sagen hatte, und knallte den Hörer auf. Lisi hatte sich selbst ein Versprechen gegeben: Einmal, nur ein einziges Mal, würde sie das Gespräch vor ihm abbrechen, selbst wenn sie das ihre Stellung kosten würde.“

Gedalja Arieli ist Lisi Badichis Chef in Tel Aviv und einfach unerträglich. Nie ein gutes Wort, dabei reißt sich die fast dreißigjährige Journalistin mit den riesigen Plastikohrringen die Beine für jede noch so unbedeutende Nachricht in Be’er Scheva aus. Denn Lisi ist „die Lokalzeitung“. Sie produziert sozusagen in den 1980er Jahren, als Chanel Nr.5 das höchste der Gefühle war, zumindest für Frauen, im Alleingang die Lokalausgabe für die Zeitschrift „Zeit im Süden“. Nervig jedoch ist, dass sie immer wieder gegen die Konkurrenz „Post im Süden“ mit dem ziemlich attraktiven Beni Adolan anschreiben muss. Zu gern übersehen die Reporter der überregionalen Blätter die LokalreporterInnen, und so auch Lisi. Aber eigentlich ist die junge Frau mit den enorm großen Füßen und ihrem Kassettenrecorder alles andere als unsichtbar. Natürlich hadert die Familie, dass sie noch nicht verheiratet ist.
Entjungfert wird Lisi auf einem Arbeitstermin, einem Fest zur Beförderung des neuen Bezirksrichters Pinchas Hornstick. Der Hausherr höchstselbst gibt sich die Ehre und zeigt Lisi sein Haus und noch so einiges mehr. Allerdings kann Lisi nicht ahnen, dass in dieser Nacht die Ehefrau von Hornstick im Garten mit dem Revolver des Ehemannes erschossen wird. Die ziemlich hochnäsige, wie herrische Alexandra Hornstick arbeitete als Bauingenieurin und scheint, wie Lisi herausfindet, in dunkle, finanzielle Geschäfte verwickelt gewesen zu sein. Lisi entdeckt, dass der Pianist Jacki Danzig, mit dem sie auf dem Fest war, der Geliebte von Alexandra war. Allerdings hatte sie absolute Finanzprobleme und wollte gern, dass er die von ihr gekaufte Wohnung veräußert, damit sie wieder flüssig ist. Doch Danzig hatte nichts Besseres zu tun, als seine Geliebte zu erpressen. Alexandra hatte eindeutig eine halbe Million Dollar aus einem Bauvorhaben im Kibbuz Aranja abgezweigt, um es auf dem „grauen Markt“ anzulegen und ordentlich Zinsen herauszuschlagen. In den Fängen des Geldmaklers Ido Gawrielow geraten, scheint so einiges schief
gelaufen zu sein. Und dann lernt Lisi bei ihren Recherchen, die ihr Chef, der immer Angst vor Verleumdungsklagen hat, mit Argusaugen begleitet, den fantastisch aussehenden Archimedes Levi kennen. Doch was hat er mit Alexandras Geschäften zu tun?
Ärgerlich, und doch manchmal auch von Vorteil ist, dass Lisis Schwestern jeweils mit Polizisten verheiratet sind. Sie haben zwar nach ihren unglücklichen Ehen die Ehemänner getauscht, aber ob das so gut war, bleibt dahingestellt. Immerhin kommen die Schwestern gern zu Besuch, um bei Lisi Geld zu schnorren.
Etwas verworren, insbesondere bei den ganzen Geldgeschäften, dümpelt die Handlung so vor sich hin. Allein Lisis Aktionismus und ihre eigenwillige Persönlichkeit lassen die Lesenden nicht vom Haken. Immer wieder setzt sie sich mit ihrem Vorgesetzten auseinander, sie muss die Konkurrenz abschütteln, zu unsinnigen Pressekonferenzen rasen und zwischendurch Material zum Mordfall sammeln und so ganz nebenbei darf sie sich auch noch verlieben, aber nicht in den nicht sehr ehrenhaft Bezirksrichter. Und dann dringt auch noch irgendjemand in ihre Wohnung ein und klaut ihre Kassetten.

Gemauschel ohne Ende, eine Hand wäscht die andere, tust du das für mich, tue ich das für dich – die israelische Gesellschaft hat so ihre ganz eigenen Regeln. Über die kleinen Unregelmäßigkeiten kann Lisi hinwegsehen, aber wenn es um die großen Schweinereien bis hin zum Mord geht, kann sie nicht still sein und muss schreiben, auch wenn sie nicht allzu viel Platz in ihrer Lokalausgabe hat.

Der israelische Krimi erobert so langsam auch den deutschen Buchmarkt. Shulamit Lapid ist ein Name, den man sich auf jeden Fall merken sollte.