T E Kinsey: Lady Hardcastle und der Tote im Wald, Aus dem Englischen von Bernd Stratthaus, Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe, München 2021, 365 Seiten, €10.00, 978-3-7341-1007-8

„Langsam wurde mir dieser Inspector Sunderland richtig sympathisch.“

Die verwitwete Lady Emily Hardcastle lässt sich mit ihrer tatkräftigen, wie respektlosen Zofe, Florence Armstrong, genannt Flo, auf dem Land im Süden Westenglands nieder. Ungewöhnlich groß ist das Anwesen, zumal die Lady in der Orangerie ihr Atelier eingerichtet hat. Die Lady und Flo kennen sich seit vierzehn Jahren, haben offensichtlich schon einiges miteinander erlebt und sind sehr vertraut. Und so ist ihr Umgangston recht locker, als seien sie Freundinnen. Sie essen zusammen und besprechen alles Wichtige gemeinsam, was die Hausangestellten doch eher im Jahre 1908 befremdlich finden.
Erzählt wird diese Kriminalgeschichte aus der Sicht von Flo, die aus einer Zirkusfamilie stammt, gern Tagebuch führt und es liebt sich in Bibliotheken zu verkriechen und lange zu lesen. Lady Hardcastle hingegen zeichnet lieber.
Beide leben sich langsam in Gloucestershire ein, lernen den Vikar kennen, die hiesige Polizisten und die Familien der umliegenden größeren Häuser.
Bei einem Spaziergang im Wald jedoch entdecken die beiden einen Toten. Der junge Frank Pickering, bekannt als exzellenter Kricketspieler, wurde an einer Eiche aufgehängt. Natürlich sollte es wie Selbstmord aussehen, aber Lady Hardcastle liefert den Beweis und stellt fest, dass der Klotz, auf dem das Opfer gestanden haben soll, sich kaum in den weichen Boden eingedrückt hatte. Inspector Sunderland verhaftet ziemlich schnell einen Widersacher von Pickering, da dieser sich angeblich an seine Verlobte herangemacht hat. Eifersucht, als Motiv, scheint die Lösung zu sein.
Flo und Lady Hardcastle sind da skeptisch und beginnen nun mit ihren eigenen Ermittlungen, denn was sollten sie sonst auf dem Land auch anstellen. Die Lady kann in den angesehenen Familien Fragen stellen und Flo geht ohne Probleme in den Pub Dog and Duck und gesellt sich mit ihrer Neugier zu den Hausangestellten, die allerdings nie gut auf ihre Herrschaften zu sprechen sind, besonders dann nicht, wenn sie aus dem gewöhnlichen Volk sind und so tun als seinen sie gebildet und von höherem Stand. Als dann bei einer Festivität bei Lady Farley-Stroud anlässlich einer künftigen Verlobung in der Familie Seddon, einem gut gehenden Speditionsunternehmen, einer der Ragtime-Band – Mitglieder tot aufgefunden wird, schaltet sich erneut Inspector Sunderland aus Bristol ein. Der Trompeter Wallace Holloway wurde erschlagen. Doch warum müssen in so kurzer Zeit zwei junge Männer sterben? Lady Hardcastles und Flos Recherchen sind dem Inspector längst zu Ohren gekommen und leicht angesäuert genehmigt er, dass die Lady bei den Vernehmungen der Partygäste dabei ist. Zumal auch noch ein wertvoller Smaragd aus Indien Lady Farley–Stroud gestohlen wurde. Wenn dieser nicht gefunden wird, sieht es mit der Kreditwürdigkeit der hohen Herrschaften nicht mehr sonderlich gut aus. Lady Hardcastle hat einst Naturwissenschaften studiert und somit den Hang zur genauen Analyse. Dazu benutzt sie eine Schiefertafel, um alle Erkenntnisse fein säuberlich zu ordnen. Auch das Telefon ist bereits in Betrieb und auf dem Land mittlerweile angekommen und nicht mehr verteufelt.

Schein und Sein in der englischen Klassengesellschaft, darum dreht sich dieser Kriminalroman, der sich offenbar laut Buchcover sehr gut verkauft hat. Die Deutschen lieben alles, was sich um Serien wie „The Crown“, „Dowton Abbey“, die endlosen Folgen von „Inspektor Barnaby“ oder Jane Austen – Verfilmungen dreht und so sollte dieser „Wohlfühlkrimi“, warum auch immer so von der Marketing Abteilung angepriesen, sicher auch im deutschsprachigen Raum gut laufen. Hinzu kommt der Trend zur Landflucht. Mag die Konstellation innig verbundene Lady und Zofe, die sich als Hausangestellte, um der Sache willen, und vor allen bei anderen Herrschaften so richtig unsichtbar machen kann, ganz witzig sein, die Handlung des Romans und die ellenlangen Verhöre auf dem Fest strapazieren die Geduld der Lesenden zunehmend. Die Auflösung ist nicht sonderlich originell. Doch sicher werden noch so einige Bände des englischen Autors T E Kinsey folgen und vielleicht mehr überzeugen.