Benjamin Cors: Gezeitenspiel – Ein Normandie-Krimi, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2019, 445 Seiten, €10,95, 978-3-423-21773-6

„Die Wahlen standen bevor, und die Menschen sollten begreifen, wen sie unterstützen mussten, um in Sicherheit leben zu können. Alexandre Guerlain blickte auf die Aufnahmen an der Wand und begriff endgültig, dass das was er sah, nichts anderes war, als Melvilles erster Zug in einem tödlichen Spiel. Und Julie hatte sich noch immer nicht gemeldet.“

Am 6. Juni ist in Arromanches jedes Jahr der Teufel los, denn niemals vergisst die Welt, den längsten Tag des Jahres, die Landung der Allierten. Staatschefs werden anreisen, Veteranen und hochdekorierte Persönlichkeiten. Es wäre eine Katastrophe für Frankreich, wenn genau an diesem Tag irgendetwas schief gehen würde, wenn ein Attentat geplant wäre. Aber so verrückt es klingt, der Geheimdienstchef Guerlain, der Vater von Nicolas Guerlain, dem heimlichen Helden jedes Normandie-Krimis, ist über einen Anschlag informiert. Der rechte Abgeordnete, Pierre Melville, spielt gern Spiele und hat Guerlain höchstselbst informiert. Die Franzosen sollen genau an diesem Tag begreifen, dass die bestehende Regierung nicht für ihre Sicherheit garantieren kann. Nur ein Umbruch kann helfen. Doch was soll geschehen? Sagt man die Feierlichkeiten ab?

Vor Ort beginnen die ersten Aktionen, um die Polizei zu verunsichern. Die Polizeianwärterin Claire Cantalle entdeckt auf einem der Pontons am Strand den verletzten Luc Roussel, den Dienststellenleiter des Commissariats in Deauville. Mit letzter Kraft hatte dieser das Wort Bodygard nicht vollständig eingekratzt. Claire informiert Nicolas Guerlain, der durch einen inszenierten Trick wieder an der Seite des erfolgreichen Politikers Francois Faure arbeitet. Der Personenschützer weiß durch seinen Vater, dass ein Anschlag am 6. Juni geplant ist und dass Julie, die vor vier Jahren von einem Tag auf den anderen, verschwunden ist, an Melvilles Seite lebt. Sie ist die Informantin, von der der Geheimdienst nun wichtige Hinweise erwartet. Auch der amerikanische Friedhof von Colleville-sur-Mer soll dieses Mal zum Treffpunkt der Staatschefs dienen. Hier entdeckt die Polizei rot angemalte Kreuze.

„Der längste Tag hatte damals dort hinten begonnen. Das Ergebnis waren unter anderem 9384 weiße Kreuze aus dem amerikanischen Friedhof von Colleville-sur-Mer. Und vier rote.“

Eine Aktion in Paris mit roten Flyern, auf denen alte Francscheine geklebt wurden, dokumentieren die Gier der Menschen nach Geld. Als dann Claires Kollege Philippe tot aufgefunden wird, beginnt die intensive Suche nach dem Toten. Leider kann sich Luc Roussel an gar nichts erinnern.
Nach und nach jedoch wird deutlich, dass der Leiter des alten Museum in Arromanches seine Finger im Spiel hat, er der einsam und allein mit seinem toten Vater spricht und den Puppen im Museum des Abends tanzt. Um sein Museum zu retten, hat er tatsächlich wichtige Devotionalien aus dem Museum verkauft. In kleinen Beträgen flossen die Einnahmen wieder ins Museum zurück.
Doch gerade in diesem Jahr soll das neue Kino und Museum eröffnet werden.
Wer nun hinter den Mordanschlägen steckt wird immer undurchsichtiger, zumal der Täter auch mit dem rechten Abgeordneten unter einer Decke stecken muss.

Neben kurzen Ausflügen in die Geschichte des II. Weltkrieges und der Allierten, die am 6. Juni 1944 europäischen Boden betraten und kurzen Rundgängen durch den kleinen Ort Arromanches und Umgebung belebt die Geschichte die zeitversetzte Erzählung. Interessant im diesmal nicht überfrachteten Normandie-Krimi sind die originellen Figuren, die neugierige Polizeianwärterin Claire, aber auch ihr Vorgesetzter, der dicke Bruno und natürlich der Personenschützer Nicolas, der nicht nur den Anschlag verhindern, sondern auch mit seinen inneren emotionalen Kämpfen klarkommen muss. Warum hat sich Julie angeblich freiwillig zu diesem Einsatz als Geliebte des Abgeordneten durchgerungen?
Wenn man in der Normandie die Schauplätze des Krimis vor Ort gesehen hat, dann macht die Krimi-Lektüre umso mehr Spaß. Spannend wird es bis zur letzten Seite und was spricht gegen eine Auffrischung historischer Fakten.