Emma Straub: Die Launen des Lebens, Aus dem amerikanischen Englisch von Elfriede Peschel, Limes Verlag bei Penguin Random House Verlagsgruppe, München 2021, 480 Seiten, €20,00, 978-3-8090-2735-5

„Warum befand sich das Fernglas unter der Registrierkasse? Elliot war nicht nicht überrascht – Clapham war typisch für so etwas, einfach viel zu klein, um auch nur den Anschein von Privatheit zu wahren.“

Wenn auf dem Buchcover steht, was für ein „wirklich wunderbarer Roman“ das Buch von Emma Straub ist und dazu noch der Name von Elizabeth Strout, dann sind die Erwartungen hoch. Um es gleich vorweg zu nehmen, Emma Straub spielt nicht in der gleichen Liga wie ihre
Schriftstellerkollegin.

In der Kleinstadt Clapham kann nichts geheim bleiben und doch haben die achtundsechzigjährige Astrid Strick und ihre Freundin Birdie, die auch gleichzeitig ihre Friseurin ist, ein Liebesverhältnis, das alle überraschen wird. Dabei war Astrid sehr lang mit Russel verheiratet, der vor einigen Jahren verstorben ist. Astrid hat drei Kinder, die bei einem gemeinsamen Essen von Mamas neuem Leben erfahren sollen. Anlass für den Sinneswandel ist der Tod von Barbara Bakers, die vom Schulbus umgefahren wurde. Astrid konnte ihre Nachbarin, die sie seit vierzig Jahren kannte, einfach nicht ausstehen und doch geht ihr deren Schicksal nahe.
Im Laufe der Geschichte erzählt die Emma Straub nun die Lebensgeschichten von Astrids Kindern und Kindeskindern. Da ist Porter, Astrids einzige Tochter, die sich mit Hilfe einer Samenbank schwängern ließ und sich erneut mit ihrer Jungendliebe Jeremy, er ist natürlich verheiratet und hat Kinder, einlässt. Porter betreibt mit ihren Ziegen eine Käserei und ist ziemlich erfolgreich.
Astrids ältester Sohn Elliot lebt ebenfalls in Clapham und hat ein großes Gebäude gegenüber von Birdies Salon gekauft. Auch das ist bisher geheim. Dieses Haus will der Bauunternehmer herrichten und meistbietend vermieten, allerdings an eine Beauty-Firma.
Seine Frau Wendy, Teilzeit-Jouristin seit der Geburt der Zwillinge, liegt im Streit mit ihrem Ehemann, der sich in keinster Weise um die wilden dreijährigen Jungen kümmern will.
Bei Astrid lebt nach einer Mobbing-Geschichte ihre dreizehnjährige Enkelin Cecelia, die Tochter ihres jüngsten Sohnes Nicolas, der sich als Hippie und Schauspieler mit seiner französischen Frau durchs Leben schlägt. Cecelia freundet sich mit August an, der nicht so recht weiß, wer er eigentlich ist. Ist er schwul, transsexuell oder…?
Auf eine sehr feine Art, und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, thematisiert die amerikanische Autorin sexuelle Selbstfindungsprozesse, Neuorientierungen, aber auch Verunsicherungen ihrer Protagonisten. Erstaunlich tolerant geht die Community in Clapham, abgesehen von Jeremys eitler Tochter, mit all diesen Fragen um.
Konventionell erzählt, kippt Emma Straub auch gern in eine ironische Tonlage um.

„Wenn ihre Kinder wach waren, rannten sie in Höchstgeschwindigkeit umher und brüllten wie Mel Gibson in ‚Braveheart‘. Sie schützte sich mit Ohrstöpseln, wenn der Pegel zu hoch wurde, was häufig der Fall war.“

Mag auch dieser Roman die amerikanische Gesellschaft spiegeln, so geht die Geschichte trotz Happy End und Hochzeit nicht in die Tiefe, wie es andere AutorInnen vermögen.