Roxanne Bouchard: Die Korallenbraut, Aus dem Québec-Französischen von Frank Weigand, Atrium Verlag, Zürich 2022, 461 Seiten, €22,00, 978-3-85535-118-3

„Der Ermittler verglich die Knoten. Könnte es sein, dass Angel in der Nacht ihres Todes plötzlich angefangen hatte, den Palstek andersherum zu knoten? Sehr unwahrscheinlich, vor allem, weil es dunkel und sie von Betäubungsmitteln benebelt war.“

Vor dreißig Jahren kam der mexikanische Polizist Joaquin Morales nach Kanada. Jetzt lebt der Ermittler in Quebec, in der Gaspésie und hofft darauf, dass seine Frau Sarah endlich nachkommt. Seine drei Kinder sind erwachsen und doch scheint es so zu sein, dass sein ältester Sohn Sébastien, der weiß, dass die Mutter längst andere Lebenspläne hat, mit dem Vater noch etwas austragen muss. Auf jeden Fall muss Morales ihn nach langer Autofahrt wegen Trunkenheit auf einem Fest auf der Polizeiwache abholen. Sébastiens Freundin Maude hat ihn offensichtlich betrogen und nun hat er seine Sachen gepackt und ist zum Vater gefahren, ohne ihm wirklich zu erzählen, was eigentlich los ist.
Morales wird zu dem Zeitpunkt von seiner Vorgesetzten genötigt, den Fall der vermissten Hummerfischerin Angel Roberts zu übernehmen. Angel hat mit ihrem Mann Clément Cyr ihren zehnten Hochzeitstag gefeiert. Zu diesem Anlass trägt sie ihr weißes Brautkleid und er einen neuen Anzug, in den Hochzeitsanzug passt er nicht mehr. Da es Angel auf der Feier mit der Familie nicht so gut ging, hat der Ehemann sie nach Hause gefahren und ist dann zur Party zurückgekehrt. Seit diesem Zeitpunkt ist Angel verschwunden. Die Lesenden allerdings wissen, dass ihr etwas zugestoßen ist. Schnell wird klar, dass die Fischerfamilien sich gegenseitig das Leben schwer machen und wenn eine Frau auch noch Kapitänin eines eigenen Schiffes ist, dann sind die Männer nicht gerade begeistert. Auch Leeroy Roberts, der Vater von Angel, und seine Söhne Jimmy und Bruce sahen die Berufswahl von Angel mit Skepsis, zumal sie Clément Cyr nicht sonderlich schätzen. Leeroy schaut genau aufs Geld. Es geht um Fangrechte und vor allem Eigentum.

Morales als Leiter der Suchaktion begibt sich nun nach Gaspé ( Der Name des Ortes bedeutet „Das Ende der Welt“.) und trifft hier auf einigen Widerstand. So hält die Fischereiaufsicht Simone Lord so gar nichts von Morales und beschimpft ihn ziemlich giftig als Macho und faulen Polizisten. Immer wieder muss er der von Männern oft gedemütigten Simone Lord ihre Grenzen zeigen, was ihm wenig Freude bereitet. Der Wachmeister an Morales Seite ist auch eine skurrile Figur. Éric Lefebvre liebt den Innendienst und wenn er bewaffnet irgendwo auftaucht, weiß jeder, dass seine Waffe nicht geladen ist. Und dann ist da noch die maulfaule Rezeptionistin in der Polizeistelle, Thérèse Rock und ihre seltsame Mitbewohnerin, die Hellseherin Sabrina Percy.
Morales jedenfalls dreht sich im Kreis mit seinen Ermittlungen und beginnt wie sein Sohn mit dem Angeln. Doch dann wird ein Leiche im Brautkleid am Meeresgrund bei den Hummerfallen gefunden und die Handlung kommt etwas in Schwung.

Morales spricht mit jedem, der je mit Angel in Kontakt gekommen ist. Er lernt so einiges über das Fischerhandwerk und erkennt, dass die Feindschaft der Fischerfamilien tiefe Wunden hinterlassen hat. Verdächtige jedoch sind kaum auszumachen, denn jeder versucht dem Ermittler einzureden, dass Angel angeblich Selbstmord begangen hat. Doch scheidet man aus dem Leben, wenn man seinen zehnten Hochzeitstag feiern möchte und beruflich glücklich ist? Hinweise auf einen Mord kann nur das Boot geben, denn damit ist Angel zuletzt hinausgefahren und der Zustand des Opfers. Morales findet heraus, dass Angels Bruder Jimmy ihr Boot oft zum Schwarzfischen genutzt hat. Er wusste, dass sie im Gegensatz zu seinem Vater ihn nicht anzeigen würde.

Roxanne Bouchard umkreist ziemlich ausschweifend die Lebenssituationen ihrer fiktiven Figuren und das mittlerweile auch schwierige Fischereiwesen an den Küsten Kanada. Der liebenswerte 52-jährige Morales kommt gut bei den Frauen an, sehnt sich aber nach seiner eigenen Frau.
Im Kern der Geschichte, die mal aus Morales, dann wieder aus der Sicht von Sébastien erzählt wird, jedoch stehen die Auseinandersetzungen im Privaten wie Beruflichen zwischen den Fischern und es dreht sich alles ums Geld und die Diskriminierung von starken Frauen in Männerberufen.