Caroline Rosales: Das Leben keiner Frau, Ullstein Verlag, Berlin 2021, 235 Seiten, €22,00, 978-3-550-20163-9

„Das ist das Fatale. Wenn du als Frau alles weißt über die Kraft, Wirkung und Manipulationskraft deines Körpers, bist du zu alt, dein Blick hat seine Unschuld verloren, du bist aus der Naivität, die deine Wirkung auf Männer ausmacht, herausgewachsen. Ein bisschen Eilika würde Mona guttun. Ein gesundes Selbstbewusstsein, ein aufrechter Brustkorb, Betonung auf Titten.“

Caroline Rosales schafft eines in ihrem Debüt ganz sicher, sie überzeichnet treffsicher mit Sprachwitz und klaren Tiefpunkten den Untergang einer emanzipierten, arbeitenden Frau, die glaubte, dass nichts und niemand ihr etwas anhaben könnte. Ziemlich naiv, denn der Altersrassismus lauert in dieser Gesellschaft insbesondere auf Frauen. Melanie raucht, trinkt gern Alkohol und stellt sich vieles insbesondere für ihren persönlichen Lebensabend, es geht nun doch nicht ohne Männer, vor, was nie eintreten wird. Sie kann anstellen, was sie will, sie ist immer auf der Verliererseite und hat sich doch phasenweise nicht anders verhalten als ein Mann. Ihm wird man vieles verzeihen, ihr nicht.

Die zu Beginn noch lebensfrohe, so unbeschwert wirkende schillernde Melanie Moosgruber feiert ihren 50. Geburtstag in ihrem kleinen Garten bei wunderbarem Sommerwetter. Als geschiedene Frau mit einer erwachsenen Tochter, als erfolgreiche Buchautorin und Leiterin des Kulturressorts einer Münchner Zeitung scheint sie, das Leben in vollen Zügen zu genießen.
Als sie sich jedoch auf diesen schnellen, irgendwie auch peinlichen Sex mit einem ihrer künftigen Kollegen einlässt und relativ zügig erkennt, wie langweilig dieser Mann ist, bröckelt die Fassade.
Auf die Wechseljahre zugehend türmen sich plötzlich eine ganze Reihe von Problemen vor ihr auf.
In einem ziemlich kritischen, aber auch ziemlich fiesen Ton betrachtet Melanie als Ich-Erzählerin ihre gesamte Umgebung, ob es nun ihr alter Chef Werner ist, den sie schon zwanzig Jahre durchschaut und weiß, dass sich sein Praktikantinnenkarussell immer weiter drehen wird oder ihre nervige Mutter, ihre offenbar einfach strukturierte sich nach Sicherheit sehnende Tochter Mona, ihr verlogener Liebhaber oder ihr gleichgültiger Ex-Mann, dem sie und ihrem gemeinsamen doch recht luxuriösen Leben hinterher trauert. Wenn er mit einundsechzig Jahren Vater wird, seine neue Frau ist natürlich sehr jung, dann schreibt Melanie ihre Oma-Kolumnen und soll damit glücklich sein. Zumal ihr eine junge, völlig unerfahrene Kollegin auch noch an die Seite gestellt wird, die nun eine Kolumne über junge Frauen schreiben soll.

Stellenweise muss man beim Lesen über die Oberflächlichkeit oder die haargenaue Beschreibung von Befindlichkeiten wirklich laut lachen, z.B. wenn Leute immer wieder völlig sinnlos englische Wörter einfließen lassen oder Peinlichkeiten als Wahrheiten oder sogar als Triumphe verkauft werden.
Die toxischen Beziehungen scheinen sich, von Mutter auf Tochter und wiederum von Tochter auf Mutter in all ihrer Banalität zu übertragen. Als Tochter erträgt Melanie ihre garstige und unzufriedene Mutter, die mit ihren fünfundachtzig Jahren alle Eitelkeiten hat fahren lassen und nur noch am giftigen Versprühen von Bosheiten Freude hat, gepaart mit eigenem Selbstmitleid. Melanie hofft, dass sie nie als wirklich alte Frau so wird wie ihre Mutter, wütend und verzweifelt.
Mona, Melanies Tochter, hingegen hat sich seltsam früh trotz guter Ausbildung, sogar in England, für ein Leben als anthroposophisch angehauchte Hausfrau und Mutter entschieden, die natürlich wegen ihrer Konflikte mit der freizügigen Mutter auch noch zum Therapeuten geht. Mit fünfundzwanzig Jahren erwartet sie nun das zweite Kind und hat einen Mann, der die Familie kaum ernähren kann.

Am schlimmsten ist Melanies Wut auf die attraktive, weil einfach junge Eilika, deren Schreibe sie unerträglich findet und deren schneller Aufstieg, immerhin in Krisenzeiten Festanstellung in einer Tageszeitung mit fester Kolumne, ihr ein Dorn im Auge ist. Allerdings schreit Eilika gleich kess bei der ersten Kritik nach Werner, ihrem offensichtlichen Gönner, der auch gleich Melanie rüffelt und auf die Veröffentlichung der Kolumne besteht. Leider ist Melanie in diesem Moment nicht bei der Sache und begeht einen eklatanten Fehler.

Mag die Frauensolidarität in unserer Gesellschaft nicht hoch im Kurs stehen, aber die alte weiße Frau, die Melanie nun mal ist, benimmt sich auch nicht anders als ein alter weißer Mann. Sie trägt das System des Wegsehens, Protegierens und Fallenlassens. Ihre Freundin Chérie ist vielleicht das Gegenbild, weil solidarischer und doch im System genau so involviert und gefangen.

Umkreist wird natürlich auch die Bussi-Bussi-Gesellschaft, die in der eigenen Selbstoptimierung mit noch so teuren Produkten ihr Heil sieht, deren Frauen wegsehen, wenn die Männer fremdgehen und doch am Ende in den heiligen Hafen der Ehe zurückkehren. Seitenhiebe werden auch in Richtung Spielplatz-Muttis mit Mitte vierzig ausgeteilt und natürlich in Richtung kochende backende Tochter, deren Helikopterfunktion für Melanie nur lächerlich ist.
Der Blick von innen wie außen auf Melanie offenbart letztendlich eine Frau, die wahrscheinlich vieles ist, was die anderen sehen, nur sie nicht.

„Zu dünn, um gesund, zu sein. Zu ungesund, um als Vorbild zu taugen. Keine Geliebte, keine Ehefrau, keine Freundin. Ich bin als gar keine Frau gut. Mein Leben ist das Leben keiner Frau.“