Peter Swanson: Acht perfekte Morde, Aus dem Englischen von Fred Kinzel, Blanvalet Verlag, München 2022, 349 Seiten, €15,00, 978-3-7341-1020-7

„Agent Mulvey war nicht ganz so unbeholfen, nur jung und unerfahren vielleicht. Sie ließ mich unwillkürlich an Clarice Starling ( noch ein Vogelname ) aus ‚Das Schweigen der Lämmer‘ denken – meine Gedanken wanderten fast immer zu Filmen und Büchern, so war es, seit ich zu lesen angefangen hatte. Und wie ihr fiktives Pendant wirkte Mulvey zu zahm für den Job.“

Boston liegt unter einer Schneedecke und es ist eisig kalt. Der Buchhändler Malcolm Kershaw hat seinen beiden Mitarbeitern im Old Devils Bookstore, seinem Secondhandladen für Krimis, freigestellt zur Arbeit zu kommen. Doch dann ruft eine FBI – Agentin an und will sich mit Kershaw über eine Liste unterhalten, die er bereits vor Jahren in seinem Blog veröffentlicht hat. Gwen Mulvey interessiert sich für acht perfekte Morde, die sich allerdings bekannte SchriftstellerInnen, u.a. Agatha Christie, A.A. Milne, Donna Tartt oder Patricia Highsmith ausgedacht haben. Sie hat den Verdacht, dass sich jemand dieser Liste bedient hat, um die Morde sozusagen im realen Leben an unschuldigen Opfern zu testen. Alle, die zu Tode kamen, waren jedoch, um ehrlich zu sein, sehr unangenehme Zeitgenossen, z.B. Elaine Johnson, eine Frau, die über alle, die sie kannte, schlecht sprach und gern homophobe und rassistische Äußerungen provozierend in den Raum stellte. Jeden Tag kam sie in Kershaws Laden und nervte die Anwesenden, sie urteilte schlecht über die Lesungen im Laden und kritisierte mit ihren unnötigen Beurteilungen gestandene Autoren. Gleich der Geschichte in Ira Levins Roman „Todesfalle“ hat sie jemand in dem Wissen, dass sie ein schwaches Herz hatte, durch einen Schreck getötet, – so die Theorie von Gwen Mulvey. Verdächtig ist, auch wenn er Alibis vorzuweisen hat, der Buchhändler Malcolm Kershaw.

Interessant ist, dass Kershaw alles aus der Ich-Perspektive erzählt und die Lesenden glauben lässt, es sein ein Tatsachenbericht. Doch wie zuverlässig kann ein Erzähler sein, wissen doch kundige LeserInnen, z.B. aus „Gone Girl“, der Erzähler ist nicht immer der Wahrheit verpflichtet.
Und so ist auch der brave Buchhändler, ein Mann kurz vor der Vierzig, eine widersprüchliche Person. Teilt man mit ihm seine Leidenschaft für Krimis und Thriller, immerhin wird er seine acht aufgelisteten Bücher genau so wie die FBI-Agentin erneut lesen, so ahnt man doch, dass mehr hinter dieser Geschichte steckt. Gut platziert der Ich-Erzähler alle möglichen Leseerfahrungen mit fast vergessenen AutorInnen, aber auch neuen, wie Lee Child oder Robert Gailbraith, bei dem alle natürlich wissen, hier schreibt J. K. Rowling. Kershaw ist nicht nur ein eifriger Leser, er hat auch einen Mord ( nur einen? ) begangen. Als seine Frau Claire vor fünf Jahren erneut in die Drogenszene abrutschte und durch einen Autounfall ums Leben kam, konnte Kershaw diesen Verlust nicht einfach so hinnehmen. Eric Atwell hatte Claire in eine Affäre gezwungen und süchtig gemacht, dafür sollte er büßen.
Über eine Website namens Entenhausen nimmt der Buchhändler Kontakt zu einer ebenfalls literarisch interessierten Person auf, und beide planen jeweils den Feind des anderen zu ermorden.
Eine perfide Geschichte, denn Kershaw ahnt, dass sein sogenannter „Schatten“ mit dem Morden nicht aufgehört hat und er diese Person kennen könnte. Dummerweise beginnt Kershaw, über einen ihm bekannten ehemaligen Polizisten Informationen einzuholen. Er will mehr über die Person wissen, die er getötet hat.

Wie die Liebe zur Kriminalliteratur und die Ausübungen von perfekten Morden zusammenhängen können, davon erzählt der amerikanische Autor Peter Swanson unterhaltsam und äußerst spannend. Zu gern möchte man, wenn man „Acht perfekte Morde“ nach 349 Seiten geschlossen hat, erneut einen Agatha Christie Roman lesen. Immerhin erscheint bald wieder ein Krimi von J.K.Rowling, übrigens auch beim Blanvalet Verlag, auf den man sich jetzt schon freuen kann.