Sophie McKenzie: Lauren, vermisst, Aus dem Englischen von Susanne Klein, Boje Verlag, Köln 2013, 284 Seiten, €12,99, 978-3-414-82343-4
„Bis jetzt wollte ich gern über die Vergangenheit Bescheid wissen. Nun musste ich erfahren, was damals geschehen war.“
Die 14-jährige Lauren weiß von ihren Eltern, dass sie im dritten Lebensjahr von ihnen adoptiert wurde. Auskünfte über die Zeit davor, kann das Mädchen offiziell erst mit 18 Jahren einfordern. Laurens Eltern wollen mit ihrer Tochter nicht sprechen, denn sie finden, sie ist noch zu jung, um alles zu verstehen. Doch die pubertierende Lauren ist genervt von ihrer übervorsichtigen Mutter, ist einfach neugierig und das nicht nur für ihren Schulaufsatz mit dem Thema: Wer bin ich?
Als sie beim Stöbern im Netz auf eine Website über vermisste Kinder stößt, liest sie eine Anzeige mit Bild, die fast haargenau auf sie passen könnte. Das Mädchen wäre heute 14 Jahre alt, ähnelt ihren Kinderfotos und wird seit der Zeit vermisst, in der sie adoptiert wurde. Allerdings lebte das Kind in den USA, Connecticut.
Da Laurens Eltern ihr vehement jegliche Auskunft verweigern, arbeitet sie mit ihrem Freund Jam einen gewagten Plan aus. Sie überredet ihre Eltern zu einem USA-Herbsturlaub ganz in der Nähe der damaligen Adoptionsagentur. Die Visitenkarte fiel ihr in die Hände, als sie die Tagebücher ihrer Mutter durchsuchte. Der Vertrauensbruch ist groß, allerdings glaubt Lauren, und das bestärkt ihre Vermutungen, sogar in ihren Erinnerungen und heftigen Träumen ihre wahre Mutter an einem Strand gesehen zu haben.
Lauren und Jam schaffen es, Laurens Eltern am Flughafen abzuhängen und den Adoptionsleiter zu treffen, der damals für Laurens Fall zuständig war. Sein Verhalten erscheint ihnen jedoch sehr fragwürdig. Die Kinder brechen in der Nacht in die Agentur ein, um die Akte zu finden. In die Hände fällt ihnen nur ein Zettel mit einem Namen von einer Sonia Holtwood und eine abgerissene Adresse. Ist sie Laurens leibliche Mutter?
Lauren und Jam werden dieser Sonia Holtwood begegnen, die als Kriminelle im Laufe der Jahre viele Kinder entführt und an Agenturen verkauft hat.
Jetzt ist Lauren klar, sie ist dieses Kind von der Annonce. Sie ist Martha Lauren Purditt. Wieder ziemlich abenteuerlich, gelangt sie zum Haus ihrer wahren Eltern. Der DNA – Test belegt, Lauren ist die entführte Tochter.\r\nInzwischen hat sie zwei Schwestern und eine Mutter, die mit dieser neuen Situation nach gut 11 Jahren nicht klar kommt. Aus rechtlicher Sicht muss Lauren bis zur Klärung des Sorgerechts bei den Purditts leben. Laurens Eltern sind, durch die Falschaussage des Leiters der Adoptionsagentur unter Verdacht geraten, in die Entführung verwickelt zu sein.
Lauren ist hin- und hergerissen, sich nicht bewusst, welche Gefühlsstürme ihre Suche nach der eigenen Identität auslösen. Zum einen weiß sie nun, ihre Erinnerungen haben sie nicht getäuscht, aber sie sehnt sich auch nach ihrem alten Londoner Leben und sie spürt den Hass, die Verunsicherung der bisher älteren Schwester. Nur die kleine Schwester kann sich unvoreingenommen auf das neue Familienmitglied einlassen. Lauren ist ständig mit Jam in Kontakt und jammert über ihre Lebenssituation. Erst langsam wird ihr klar, wie zerrissen auch ihre beiden Elternpaare sein müssen, die zum einen ihr Kind verloren, zum anderen ein fremdes, lang entbehrtes Kind wiederbekommen haben. Lauren hat den Eindruck, ihre amerikanische Mutter sehnt sich nicht nach ihr, sondern nach dem Kleinkind, das sie einst war.
Aber auch Lauren bleiben viele Zweifel. Sie hatte gedacht, sie würde ein vollständiger Mensch sein, wenn sie erst mal ihre leibliche Mutter in die Arme schließen könnte. Aber so ist es nicht. Alles ist ihr fremd und die Sehnsucht nach dem englischen Leben ist stärker als alles andere.
Sophie McKenzie hat sich für ihren ersten Jugendroman einem existentiellen, wie psychologisch interessanten Thema genähert. Ihre Erzählhaltung ist bewusst gewählt, sie trägt zum Effekt von Unmittelbarkeit bei. Die Autorin schreibt auf Augenhöhe ihrer Protagonistin und erzählt auch vom Ende der Kindheit. Laurens innere Kämpfe, ihr Wissen, dass sie ein Leben vor dem neuen in England hatte, sind somit gut nachvollziehbar.
Allerdings scheint vieles im Handlungsverlauf, um der Geschichte Willen doch zu konstruiert, zu zufällig. Die Konfrontation mit der Entführerin, die letztendliche Todesbedrohung und der Showdown erhöhen zwar die Spannung, sind aber zur Klärung der wirklichen Konflikte zwischen den Familien und Lauren nicht zwingend notwendig.
Auch wenn die Geschichte aus Laurens Sicht erzählt wird, kann sich der Leser gut in alle anderen Figuren hineinversetzen und verstehen, was der Verlust eines Kindes in Familien auslösen kann.
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