Camilla Läckberg: Meerjungfrau, Aus dem Schwedischen von Katrin Frey, List Taschenbuch, Berlin 2012, 456 Seiten, €9,99, 978-3-548-61126-6

„Die Wahrheit konnte er nicht offenbaren. Sie durfte niemals ausgesprochen werden. Die besten Lügen enthalten allerdings einen Teil der Wahrheit.“

Ohne lange Erklärungen wird der Leser mitten hinein in die Fjällbacka Gesellschaft, die in einem idyllischen Ort im Westen Schwedens lebt, gezogen. Er lernt die neugierige, jetzt hochschwangere Schriftstellerin Erica Falck und ihren Mann, den Kriminalisten Patrick Hedström kennen, den Bibliothekar Christian Thydell, der gerade erfolgreich seinen Debütroman veröffentlicht hat und seine Frau Sanna, den Bauunternehmer Erik Lind und dessen unglückliche Ehe und seinen Kompagnon Kenneth Bengtsson und dessen traurige Familienverhältnisse. Im Ort ist die Polizei seit einiger Zeit mit einer Vermisstenanzeige beschäftigt. Magnus Kjellner, unbescholtener Bürger, Familienvater und Freund von Christian, ist seit gut drei Monaten verschwunden.

Camilla Läckberg verbindet ihre bisherigen Romanhandlungen und bereits eingeführten Personen miteinander und so muss der Leser sich erst einmal orientieren, wenn er gerade mit dem Roman „Meerjungfrau“ diese interessante schwedische Autorin kennenlernt. Nie geht es bei ihr um Action, sondern immer um Innenwelten, psychologisch angelegte Konflikte, Geschehnisse aus der Vergangenheit, die plötzlich in der Gegenwart eine wichtige Rolle spielen. Prallvoll angefüllt mit Leben sind ihre Geschichten, sie schaut tief in die Beziehungen ihrer zahlreichen Protagonisten hinein, zeigt Abhängigkeitsverhältnisse auf, menschliche charakterliche Abgründe, Gefühllosigkeit und zu große Liebe, aber auch harmonisches, wie konfliktreiches Zusammenleben.

In kursiver Schrift jedoch begleitet eine Parallelhandlung aus vergangenen Zeiten die Gegenwartshandlung, die, und das stellt sich später heraus, mit Christian zu tun hat. Es ist die wirklich tragische Geschichte eines adoptierten Kindes, das zu viel frühes Leid erfahren musste.

Christian scheint nun all diese Erlebnisse, in seinem Debütroman „Meerjungfrau“ verarbeitet zu haben. Aber es stellt sich gerade bei der öffentlichen Buchpremiere heraus, dass er seit Beginn der Arbeit am Roman massiv Drohbriefe in einer schön geschriebenen Frauenhandschrift erhält. Und nicht nur er. Auch seine Bekannten Erik und Kenneth sind Betroffene.
Erica Falk, die sich offenbar von ihrer beschwerlichen Schwangerschaft mit Zwillingen ablenken muss, beginnt Christians Vergangenheit zu erforschen, die er um jeden Preis geheim halten will.
Als die Geschichte mit den Drohbriefen durch Ericas Indiskretion an Christians Verlegerin weitergeleitet wird, hängt diese sie, um die Verkaufszahlen hochzutreiben, an die große Medienglocke. Christian fühlt sich dadurch immer mehr in die Enge getrieben und verweigert jegliche Zusammenarbeit mit dem Verlag.
Sehr lang tappt der Leser, der sich aus dieser geheimnisvollen, wie rätselhaften Geschichte, die immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird, nicht lösen kann, im Dunkeln. Als Magnus Kjellners Leiche gefunden wird, Christians Kinder mit roter Farbe beschmiert entdeckt werden und in ihrem Zimmer der Satz „Du hast sie nicht verdient.“ auftaucht, nehmen die Ereignisse an Fahrt auf.
Wie stark die Erfahrungen in der Kindheit ein Leben beeinflussen, demonstriert dieser bewegende Krimi über eine geschundene Kinderseele, die sich von den Demütigungen und tiefen Verletzungen vielleicht beim Schreiben aber nie im Leben erholen konnte.

Mit einem Cliffhanger endet auch dieser atmosphärisch dicht geschriebene Roman und macht auf einen neuen Krimi um Erica Falck und Patrick Hedström, die dann hoffentlich gestresste Eltern von Zwillingen und einem nach Beachtung schreienden Kleinkind sein werden, neugierig.