Camilla Grebe & Åsa Träff: Das Trauma, Aus dem Schwedischen von Gabrielle Haefs, btb, 443 Seiten, €14,99, 978-3-442-75259-1
„Dem Gespräch über die Liebe, nicht die schöne romantische Liebe, sondern die schwarze, gewaltsame, die uns zu Dingen treibt, die wird nicht tun dürften, die uns die Kontrolle verlieren lässt. Die Liebe, die verletzt, wehtut.“
Wie kompliziert und undurchsichtig die Liebe in all ihren Spielarten und Verletzungen sein kann, das versucht dieser Roman der schwedischen Schwestern aufzuzeigen.
Siri, Psychologin mit eigener Praxis, die sie gemeinsam mit Sven und Aina führt, hat sich trotz eigener Erfahrung dazu überreden lassen, eine Selbsthilfegruppe mit fünf Frauen zu führen, die Opfer männlicher Gewalt wurden. Siri führt eine offene Beziehung mit dem Polizisten Markus und ist sich ihrer Gefühle nicht sicher. Er will die Familienpackung, sie Distanz. Als Siri bemerkt, dass sie schwanger ist, freut sie sich. Allerdings möchte sie das Kind, aber nicht den Mann dazu und das ist in einer halbwegs intakten Beziehung schwer vermittelbar. Die Psychologin wirkt instabil, betreut jedoch auch noch das Ehepaar Mia und Patrick, die sich gegenseitig nur mit Vorwürfen demütigen. Mia scheint sich mit Tabletten aus dem Alltag wegzubiemen, vernachlässigt dabei die Kinder und beunruhigt und verärgert ihren Mann.
Ein brutaler Mord leitet die Romanhandlung ein. Eine Frau wird vor den Augen ihres fünfjährigen Kindes, dass sich unter einem Tisch verbirgt, getötet. Eine der Frauen, Kattis, aus der Selbsthilfegruppe kennt den Freund der Ermordeten, beschuldigt ihn und behauptet, er sei auch gegen sie gewalttätig geworden und würde sie verfolgen. Henrik streitet ab, dass er Kattis je etwas angetan habe.
Nach und nach erzählen die Frauen in der Gruppe von ihren Gewalterfahrungen, ihrer Ohnmacht, Hilflosigkeit, ihrer Wut und auch Rache. Siri kommt, ohne es zu wollen, Kattis immer näher und weiß doch, dass es nicht professionell ist, wenn sie sich einer Klientin so öffnet.
Parallel zur Handlung fügen die Autorinnen Gutachten von Schulpsychologen über die Entwicklung eines Jungen ein. Die kurzen Schreiben, die von einem gewaltbereichen, in der Entwicklung verlangsamten Jungen berichten, beginnen im Kindergarten und werden immer weiter fortgeführt. Wer dieser Junge ist, erklärt sich erst am bitteren Ende.
Die Handlung spitzt sich zu, als Henrik mit einem Revolver bewaffnet panisch in die Sitzung der Selbsthilfegruppe platzt, und eine Frau, die ihn beruhigen will, erschießt.
Kattis fühlt sich immer mehr bedroht, Siri muss sich endlich über ihre Beziehung zu Markus klarwerden und die Polizei tappt im Dunkeln.
Das kleine Mädchen wird befragt, kann aber nichts Wesentliches beitragen. Als sie zu ihrem leiblichen Vater, der für sie ein Fremder ist, gebracht wird, verschwindet sie plötzlich.
Siri hatte Kattis auf ihrer Arbeit im Jobcenter, in dem sie auch Jugendliche Aussteiger betreut, besucht. Hier geht Siri ein Licht auf und das hat ebenfalls mit Zuneigung, Liebe und hinterhältiger Manipulation zu tun.
Der Krimi „Das Trauma“ hechelt nicht der Frage nach, wer ist der Mörder oder auf welchen Wegen verfolgt die Polizei den Täter. Die Handlung verweilt im privaten und beruflichen Bereich der Psychologin Siri und ihres Freundes Markus. Sie tauschen sich aus, auch wenn sie laut Schweigepflicht das nicht dürften.
Warum enden Liebesbeziehungen in handgreiflichen Auseinandersetzungen? Warum lassen die Frauen sich auf dieses Martyrium, eine der Frauen sogar ihre gesamte Ehe lang, ein? Wie lebt man mit Verletzungen, Ablehnungen und Demütigungen?
Zufälle beschleunigen den Fortlauf der Handlung und vieles, was der Leser ahnt, wird bestätigt, ohne dass es notwendig ist, ihm alles zu erklären.
Siri und Aina arbeiten als Kollegen wenig erfolgreich zusammen, sie scheinen eher zu Konkurrentinnen zu werden. Als Siri Aina erzählt, dass sie schwanger ist, lenkt Aina das Gespräch gleich auf die beruflichen Komplikationen, die sich durch das Baby für die gemeinsame Praxis ergeben könnten.
Auch Siris Entscheidung sich auf Markus einzulassen, wirkt nicht sympathisch oder gar überzeugend. Am Ende zuckt sie nur mit den Schultern, wenn sie nach dem Vater ihres Kindes befragt wird.
Auch Psychologen sind nicht allwissend. In diesem fiktiven Roman, der sicher auch auf Erfahrungen von Åsa Träff, die als Psychologin arbeitet, beruhen, wird klar, wie wenig Menschen einander durchschauen.
Die Opfer bleiben am Ende immer die Kinder, ob es nun das kleine Mädchen ist, die dieses Trauma sicher ein Leben lang bearbeiten muss oder die drei Kinder, die die Frau zurücklässt, die in der Praxis von Henrik erschossen wurde. Sie kehren zum unbeherrschten, prügelnden Vater zurück, den die Mutter verlassen wollte.
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