Anne Kanis: Nichts als ein Garten, Metrolit Verlag, Berlin 2015, 208 Seiten, €20,00, 978-3-8493-0104-0

„Ja, die Kunst ist ein Segen, wenn sie zu Buche schlägt. Bei mir schlägt die Kunst nicht zu Buche, doch niemanden geht das etwas an.“

Eine junge Frau schlägt sich in Berlin durchs Leben. Sie arbeitet als Sängerin, deren Honorare mehr als erbärmlich sind und jobbt noch in einer Kantine. Ihr Blick aufs Leben ist weder illusorisch noch depressiv. Wenn sie sich etwas wünschen würde, dann wäre das ein Garten. An den Garten, der nach der Wende plattgemacht wurde, ihrer Eltern, die sich beide ebenfalls als Künstler verdient haben, erinnert sich die Ich-Erzählerin immer wieder.

„Einen Garten, nichts als einen Garten werde ich mir kaufen, wenn ich mal viel Geld habe.“

Wenn sich die Ich-Erzählerin etwas Gutes tun will, kauft sie Blumen oder sie pflückt die Kirschen, die über den Zaun hängen. Der Gedankenstrom der Erzählerin wandert in ihre Kinderzeit. Da sie in der DDR kein Pionier war, musste sie bei Appellen immer hinten stehen. Sie hat die öffentlichen Strafen von Kindern erlebt, die sich einfach nicht konform verhalten haben. Ihr Blick auf die DDR ist weder verklärt noch sentimental und doch vermisst die junge Frau die Atmosphäre in ihrer alten Straße, ihrem Kiez, der nun saniert und feingemacht nur noch für Gutverdienende zugänglich ist. Ihre Begeisterung für das neue System hält sich in Grenzen. Reich und arm, darum kreisen ihre Gedanken. Soll man sich wirklich, wie ihre Freundin Luise behauptet, einen gut betuchten Mann angeln?
Als die Mauer fiel, schulten die Eltern der Erzählerin ihr Kind in Westberlin ein. Ihre Freundin Luise hat ihr vieles beigebracht und sie in der neuen Gesellschaftsordnung, in der auch nicht alle wirklich ihre Meinung sagen konnten, heimisch werden lassen, auch wenn für die Erzählerin das Leben der „Westberliner“, auch gerade Luises Eltern, ihr völlig fremd blieben.

„Ganz zu Beginn war unsere Herkunft gleichberechtigt. Ost und West. Doch bald war mein Leben nicht mehr wichtig.“

Die Erzählerin soll sich anpassen und sich selbst verleugnen, eine wirklich unangenehme Erfahrung. Nach Schulschluss entscheiden sich die beiden Freundinnen für sehr unterschiedliche Berufsausbildungen. Luise, die sehr gut zeichnen kann, wird der finanziellen Sicherheit wegen Zahntechnikerin, auf Wunsch der Eltern. Die Erzählerin wählt den künstlerischen Beruf. Warmherzig sind alle Äußerungen über ihre Eltern, die nun als Rentner mit der kleinen Rente über die Runden kommen müssen. Wohnen und Essen war in der DDR nie ein Unsicherheitsfaktor. Nun wird es für viele ein tagesaktuelles Problem. Wie in DDR-Zeiten bleibt die Familie der Hort der Harmonie und der Sicherheit, zumindest für die Erzählerin.

Luise macht sich auf die Suche nach dem Mann fürs Leben, aber eher im Borcherts und nicht wie die Erzählerin in ihrem Kantinen-Kaffee.

Anne Kanis Gesicht ist von diversen Tatorten oder anderen Serien im Fernsehen bekannt. Sie wurde 1979 in Berlin geboren. In ihrem Roman schildert sie poetisch und sprachlich minimalistisch Lebensgefühle, aber auch die Innenansicht einer jungen Frau, die sich zurechtfinden muss. Nichts Großartiges passiert und doch vergisst man nicht die Szenen, die Anne Kanis über ihre Kinderzeit entwirft.
Zurück bleibt ein Eindruck grundsympathischer Wahrhaftigkeit.