Anthony McCarten: funny girl, Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié, Diogenes Verlag, Zürich 2014, 384 Seiten, €21,90, 978-3-257-06892-4
„ Du musst zornig werden.“
Die 20 – jährige Azime stammt aus einer kurdischen, sehr traditionell lebenden Familie und wohnt bei den Eltern, die sich für echte Briten halten, in Green Lanes in Nordengland. Sie arbeitet beim Vater im schlecht laufenden Möbelgeschäft und träumt doch von einer Karriere als Stand-up-Comedian. Selbstironisch und voller Humor kann sie auf ihr eigenes Leben blicken, bühnenreif sind ihre urkomischen Aufführungen, um potentielle, glatzköpfige und dickbauchige Heiratskandidaten abzuwehren. Als Azime erleben muss, wie eine nahe muslimische Bekannte zu Grabe getragen wird, weil der Vater oder der Bruder offensichtlich nicht mit dem Leben des Mädchens, die einen italienischen Freund hatte, einverstanden waren, regt sich immer mehr der innere Widerstand in ihr. Deniz könnte ihre Rettung sein, ein junger Mann, der ebenfalls gern Komiker wäre. Er jedoch, und das stellt sich später heraus, interessiert sich nicht für Frauen. Aber er gibt Azime auf eine Weise den Rückhalt, den sie benötigt, um sich aus ihren Familienstrukturen zeitweilig zu lösen.
Azime wählt für ihren ersten Auftritt eine Burka, ein Schutz auch vor Lampenfieber. Will sie nicht erkannt werden oder ist es ihr Markenzeichen? Ist es eine Reaktion auf die Anschläge 2005 in London?
Aber Azimes trockener Humor, ihre Gigs und Themen, die sich zum größten Teil auf ihr eigenes Leben beziehen, lösen nicht nur Begeisterung unter den Zuschauern aus, sie weckt auch den Zorn und die unerbittliche Feindseligkeit ihrer muslimischen Gemeinde.
Die entsetzten Eltern und der Bruder wollen die Unfolgsame zwingen, die Auftritte zu beenden. Azime, die stark ist, aber auch schnell verunsichert werden kann, verlässt ihr Zuhause und kehrt doch irgendwann reuemütig zurück.
Mit ihrer Karriere steht sie erst am Anfang, vertraut sich selbst nicht wirklich, denn es gibt genug Neider, die sie auch zweifeln lassen. Aber sogar die eigene Familie wird sich für Azimes Witze begeistern und sich vor die Tochter stellen. Und doch gibt es einen Anschlag auf die junge Frau. Der Humor und der Witz wird für Azime zur Waffe gegen Intoleranz.
„Es geht in meinem Roman um eine Frau, die ein 2000 Jahre altes Tabu bricht“, sagt McCarten in einem Interview. „In der Geschichte des Islam gab es noch nie eine muslimische Stand-up-Comedian. Sie will einfach nur mal lachen, will Witze reißen. Und sie ist witzig und kann nicht verstehen, warum das ein Problem sein soll. Doch natürlich wird das ein enormes Problem für sie und für ihre Familie.“
Der neuseeländische Autor Anthony McCarten erzählt unterhaltsam, aber auch provokant von einer muslimischen Comedian, die über eine einmalige Bühnenpräsenz verfügt. Sie muss sich nicht nur mit ihrer Arbeit auseinandersetzen, sondern auch mit dem Hass gegen sie und den Freitod ihrer Bekannten.
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