Viveca Sten: Kalt und still – Der erste Fall für Hanna Ahlander, Ein Polarkreis-Krimi, Aus dem Schwedischen von Dagmar Lendt, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2022, 512 Seiten, €16,95, 978-3-423-26338-2

„Sie darf nicht hier draußen im Wald bleiben, und schon gar nicht sich hinlegen. Sie muss zur E14 gehen und Hilfe holen. Bald werden sowohl ihr Gesicht als auch ihre Finger erfrieren. Oder, noch schlimmer, sie schläft im Schnee ein.“

Viveca Sten mag Ferienhäuser. Immerhin wohnt eine ihrer Hauptfiguren in der Krimiserie „Mord im Mittsommer“ auch in einem schönen Sommerferienhaus in den Schären. Doch nun hat die schwedische Autorin den Ort für alle möglichen Gewalttaten an den Polarkreis verlegt, wo immerhin -20° C normal sind.
Hierher nach Åre ausgerechnet kurz vor Weihnachten verschlägt es von Stockholm aus die Polizistin Hanna Ahlander, die irgendwie an einem Tiefpunkt angekommen ist. Ihr ziemlich mieser Freund hat sie vor die Tür gesetzt und ihr Vorgesetzter möchte sie gern loswerden, denn sie hat nicht wie alle anderen Polizisten die Gewalttat eines Kollegen gedeckt. Mit zu viel Alkohol verkriecht sich die Vierunddreißigjährige im großzügig ausgestatteten Ferienhaus ihrer wohlgeratenen wie perfekten Schwester. Immerhin steht ein schickes Auto in der Garage, der Tiefkühlschrank ist gefüllt, es gibt genügend teuren Wein und eine ziemlich verschüchterte Putzfrau. Hannas Schwester Lydia ist Rechtsanwältin, hat eine tolle Familie, Geld und vor allem die Anerkennung der Eltern. Hannas Mutter mochte, um ehrlich zu sein, den hinterhältigen Freund mehr als ihre Tochter.

Doch dann verschwindet die achtzehnjährige Amanda Halvorsson nach einer Party bei ihrer besten Freundin Ebba. Polizeikommissar Daniel Lindskog, gerade Vater geworden, weiß, dass er nun Überstunden machen muss und seine Freundin Ida sauer sein wird. Als dann klar wird, dass Amanda ermordet wurde, beginnt die Polizeiarbeit. Hanna will unbedingt helfen, denn allein im Ferienhaus bläst sie nur Trübsal. Und durch einige Zufälle kann sie sogar etwas Sinnvolles zu den Ermittlungen beitragen und gewinnt so die Aufmerksamkeit von Daniel. Zu gern möchte Hanna helfen und sie wird auch die richtige Spur entdecken, denn irgendwie hat sie doch einen Blick für gequälte Menschen. Zum Glück öffnet sich auch Ebba der Polizistin und erzählt von Amandas Schwarzarbeit.

Ungewöhnlich ist, wie Viveca Sten die Lesenden direkt mit dem Leid der Familie von Amanda konfrontiert. Kaum zu ertragen ist auch, dass Amandas Vater, eine Politiker, an der Affäre mit seiner Assistentin hängt und sich kaum um seine Frau Lena kümmert. Seine blinden Rachegedanken führen dann auch zu einem neuen Unglück.

Wie in vielen Krimis verursachen die Gier nach noch mehr Geld und die skrupellose Ausbeutung von abhängigen Menschen, die einfach auf ein besseres Leben hoffen, Verbrechen.

Viveca Sten hat nun alle Weichen gestellt, um ihre Figuren bei der Polizei mit all ihren privaten wie beruflichen Konflikten für die kommenden Bände einzuführen. Spannend wird es allemal werden, denn die schwedische Autorin erzählt mitfühlend und vor allem sind ihre Ermittler wirklich aus Fleisch und Blut und haben ihre Stärken und Schwächen.
Immerhin hat Hanna die exquisiten italienischen Anzüge ihres untreuen Freundes zerschnitten und in die teuren Schuhe Mostrich geschmiert. Nicht gerade ladylike, aber verständlich.