Michael Wallner: Shalom Berlin, Piper Verlag, Berlin 2020, 287 Seiten, €12,90, 978-3492-06191-9

„Ein Grab war geschändet worden, ein Onlineartikel hatte Wirkung gezeigt. Man kreuzigte einen Hund, überfiel einen Fahnder, trotzdem hatten sie so gut wie nichts in der Hand.“

Bei der Zunahme an antisemitischen öffentlichen Angriffen in Berlin, aber auch Drohungen im Netz liegt es nahe, auch hier einen Ermittler einzuschalten. Es ist ein eigenartiger Fall, der Alain Liebermann, Mitglied des Mobilen Einsatzkommandos Staatsschutz und Spezialist für Terrorbekämpfung, im ersten Band von Michael Wallner beschäftigt.

Warum investieren wahrscheinlich mehrere Täter so einen Aufwand, um einer jungen Frau extrem wehzutun, die nicht mal Jüdin ist. Hanna Golden war zwar kurzzeitig mit einem Juden verheiratet, hat aber als freie Journalistin einfach nur ein Thema gesucht, über das sie schreiben wollte. Die mit heftigster Gewalt zerschlagenen Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof bildeten den Ausgangspunkt für die Kreuzigung ihres armen Hundes Ramona, der keiner Seele etwas tun würde.
Von Unbekannten wird Hanna nun mit dem Tod bedroht. Hinzu kommt, dass ihr egozentrischer Freund, angeblicher Künstler und von einflussreicher Mutter finanziell ausgehaltener Schönling, sie im Krankenhaus vergewaltigt. Als Hanna an einen versteckten Ort gebracht wird, spürt sie auch dort ein Täter auf. Jetzt klingeln alle Alarmglocken bei Liebermann, denn er weiß nun, dass höchste Stellen involviert sein müssen. Denn wer sollte ansonsten an solche Informationen gelangen. Außerdem wird auch Liebermann angegriffen und entstellt. Der Täter kannte sich ausnehmend gut in seiner Wohnung aus.
Alain Liebermann schaltet seine Informantin ein und erkennt, dass im Vordergrund dieser vielen Aktionen nicht der übliche Antisemitismus von dumpfen Rechtsradikalen steht.

Sicher ist es schwierig, der Klischeefalle gerade beim Thema jüdisches Leben in Berlin zu entgehen. Liebermann lebt in Pankow und natürlich nicht im Hipster und Juppie-Bezirk Prenzlauer Berg, den er aus welchen Gründen auch immer hasst. Er hat eine große Familie, eine 95 Jahre alte Großmutter, die in einer riesigen Wohnung am Kudamm residiert und als Ratgeberin des Nachts ihren Enkel empfängt und er trauert um seine geliebte Frau Lea, die vor einem Jahr gestorben ist.
Verlockend ist auch die Tatsache, dass so ganz nebenbei immer wieder Informationen über die aktuelle Situation der Juden, aber auch ihrer wechselvollen Geschichte in Berlin in die Handlung einfließen.

„Das Haupttor war nachts geschlossen, die Mauer schwer überwindbar, da sie zur Schönhauser Allee hin lag, wo auch nachts Passanten und Autos unterwegs waren. Mit seiner Ostseite grenzte der Friedhof allerdings an den Judengang, eine schmale Schneise zwischen der Friedhofsmauer und den Wohnhäusern der Kollwitzstraße. (… )
Der Grund, weshalb dieser Pfad angelegt werden musste, war bezeichnend. König Friedrich Wilhelm III. hatte auf seinen Fahrten zum Lustschloss Schönhausen keinem Leichenzug begegnen wollen, darum hatte die jüdischen Toten zum Hintereingang ausweichen müssen.“

Wie üblich in ersten Bänden bleiben offene Enden, auf die der Leser gespannt bleiben soll. So fragt er sich vielleicht, ob Liebermann wirklich, trotz so innig dargestellter Trauer, sich einer neuen Frau, die ausgerechnet auch noch mit Nachnamen Göring heißen muss, zuwenden wird und was von diesem Ermittler, der eindeutig spontan sein kann, den richtigen Instinkt, aber auch Menschenkenntnis und Durchsetzungskraft besitzt, noch zu erwarten ist.

Dieser erste Plot, auch wenn die Stadt Berlin mit seinen Originalschauplätzen natürlich eine der Hauptdarstellerinnen ist, wirkt leider allzu konstruiert, zu künstlich, was die Motivlage anbelangt, als das er wirklich überzeugen könnte.