Gill Sims: Mami kann auch anders – Tagebuch einer unbeugsamen Mutter, Aus dem Englischen von Ursula C. Sturm, Eisele Verlag, München 2020, 413 Seiten, €16,00, 978-3-96161-081-5

„, Kannst du mich bei Toby absetzen, wenn du mit Jane in die Stadt fährst?‘, fragte Peter.
,Aber ich wollte doch mit euch Apfelkuchen backen und Chutney machen, wie sich das für eine glückliche Familie im Herbst gehört!‘ protestierte ich.“

Ellen, Tagebuchschreiberin im allerbesten Alter und mit beiden Beinen beruflich wie privat fest auf dem Boden stehend, hat sich offensichtlich bei Instagram von den falschen Familienbildern täuschen lassen, denn der dreizehnjährige Peter und seine zwei Jahre ältere durch die Pubertät absolut unausstehliche Schwester Jane interessieren sich weder für Apfelbäume noch das Landleben, dass ihre Mutter ihnen aufgezwungen hat.

Nachdem Ellens Ehemann Simon fremdgegangen ist und er seiner Frau nach vielen Streittiraden klarmachen wollte, dass sie beide unbedingt Abstand benötigen, zieht Ellen nach fünfundzwanzig Ehejahren die Reißleine und trennt sich. Zu oft hat sie gehört, dass Männer die Konten abräumen und sich aus allem, besonders wenn es um die Kinder geht, fernhalten. Ihren finanziellen Möglichkeiten entsprechend bezieht sie nun ein gemütliches Cottage in der „Pampa“, wie ihre Kinder behaupten. Ellen träumt von Hühnern, einem zweiten Hund und der heilenden Wirkung nach einer Trennung in der wunderbaren Natur. Endlich kann sie sich von Simons minimalistischem Geschmack abgrenzen, muss nicht seinen Ideen, ob es nun um den Urlaub oder die Wohnungseinrichtung geht, unterordnen.

Dass ihre Rechnung nicht hundertprozentig aufgeht, war zu erwarten, denn die anspruchsvollen Kinder fordern ihren gewohnten Komfort und die neue Wohnstätte, auch mit dem Bus zu erreichen, bedeutet, dass Ellen den Taxidienst für Jane, besonders nach Partynächten, und für Peter übernehmen darf. Als Running Gag fungiert der maßlose Hunger von Peter, der entweder fresssüchtig ist oder einen enormen Wachstumsschub vorlegt. Peter inhaliert regelmäßig alle Lebensmittel des Kühlschrankes und dazu noch die Milchvorräte. Ellen darf also sehr viel einkaufen, das Haus putzen, die Bilder umhängen, da das Cottage so seine Schönheitsflecken hat, die Hühner und Hunde umsorgen, die Kinder chauffieren und Vollzeit arbeiten. Die Kinder allerdings sind es nicht gewohnt zu helfen, sie gehen lieber auf feuchtfröhliche Partys bis nachts um zwei oder hocken vorm Computer und  räumen den Kühlschrank aus.

Gill Sims spielt alles durch, was frisch getrennt lebende Frauen, die es offenbar keine Sekunde ohne einen neuen Partner aushalten, so durchleiden. So weiß Ellen kaum etwas mit sich anzufangen, wenn die Kinder bei Simon sind. Sie ärgert sich über die Ignoranz ihres Ex, spioniert ihm aber auch digital hinterher, ist auf der Suche nach einem möglichen neuen Partner auf diversen Kanälen und macht auch hier ersten unguten Erfahrungen.

„Die Beschreibung ‚heiß‘ mag zwar ein wenig übertrieben gewesen sein, aber neuerdings wirkt auf mich so ziemlich jeder Mann, der noch seine eigenen Zähne hat, begehrenswert – ein Umstand, dem ich meine diversen Horrortrips mit LoveMeDo.com und FindTheOne.com und BumsParade.co.uk verdanke ….“

Hannah, Ellens beste Freundin, ist wieder schwanger, Janes Vater stirbt ( Der einzige übrigens aus ihrer Familie, der ihr bei der Trennung den Rücken gestärkt hat.), Simon versucht, seine Ehe wieder zu kitten und die lieben Kinder proben den Aufstand. Jane hat ihren ersten Freund, von dem Ellen allerdings nur etwas weiß, weil sie über andere Kanäle auf den Account ihrer Tochter zugreift und Ellen lernt Jack kennen, einen scheinbar völlig normalen Mann.

Die Höhen und Tiefen im Leben einer englischen Frau beschreibt Gill Sims wie immer mit Tempo, Sarkasmus und Humor. Der Kick liegt bei Gill Sims in der witzigen Überspitzung und der schamlosen Offenheit der Tagebuchschreiberin, ohne die realen Hintergründe, wie z.B. den peinlichen und oft verlogenen Hang zur Selbstdarstellung im Netz zu verharmlosen. Die Hauptfigur greift gern zur Weinflasche und sie lässt sich liebend gern von werbewirksamen Idealbildern hinters Licht führen. Ellen fühlt sich nach der Trennung befreit und doch im Zweifel, hat keine Geldsorgen, lässt ihrer Tochter, Peters Pubertät steht ihr noch bevor, alle Freiheiten und Frechheiten, um sie ja nicht in ihrer Persönlichkeit zu behindern und findet auch noch einen fantastischen Mann, zumal in der Wirklichkeit eher der Ex-Mann rasend schnell sich mit einer neuen Partnerin zusammentut.

Und was Ellen als Britin am meisten verunsichert, fällt demnächst dank Corona-Virus auf jeden Fall aus, das unangenehme Begrüßungsritual mit Küsschen auf jeweils eine Wange, oder doch dreimal?

Wer zu diesen Büchern greift, es ist mittlerweile das dritte in der Mami-Reihe, will beim Lesen lachen, sich und seine Beziehungen zu Kindern, Familie und Ehemann vielleicht abgeschwächt in manchen realen Szenen wiedererkennen und beruhigt vor sich hin schmunzeln.