Joy Fielding: Die Haushälterin, Aus dem amerikanischen Englisch von Kristian Lutze, Goldmann Verlag, München 2022, 443 Seiten, €22,00, 978-3-442-31576-5

„Sie reagierte freundlich, aufmerksam, mitfühlend, ja sogar fürsorglich auf meine Empfindungen. Sie stellte Fragen, interessierte sich für meine Meinung, schlug sich auf meine Seite und überschüttete mich mit Lob. Kurzum, sie war die liebevolle Elternfigur, die ich mein Leben lang gesucht hatte.“

Joy Fielding erzählt vom Amerika der Egoisten, Selbstverliebten, Einsamen und Selbstdarsteller, die nur aufs Äußere bedacht, immer allen anderen die Schuld geben und denen irgendeine Form des Mitgefühls fremd ist.
Jodi Bishop hat einen Fehler gemacht und wie immer gibt sie sich selbst die Schuld. Sie hat die zweiundsechzigjährige, charmante Elyse Woodley mit all ihren Koch- und Backkünsten und vielen weiteren hilfreichen Fähigkeiten ins Haus ihrer wohlhabenden Eltern in Toronto geholt. Jodis Mutter ist seit langem an Parkinson erkrankt und ihr sturer, wie stets unfreundlicher wie eiskalter Vater hat sich bisher im großen Haus um sie gekümmert. Aber Jodis Unterstützung, auch wenn sie zwei Kinder und einen Vollzeitjob hat, wird ebenfalls erwartet. Die ältere Schwester Tracy, Lieblingskind der Eltern und mit Mitte vierzig finanziell immer noch von ihrem Vater abhängig, sieht keine Veranlassung, sich irgendwie einzubringen. Sie springt von einer Leidenschaft zur nächsten und ist, so die Meinung der Familie, einfach zu begabt. Jodi hat es rundum nur mit egozentrischen Menschen zu tun, die nur um sich kreisen und sich keinen Deut für sie interessieren. Auch ihr Ehemann Harrison, ein Autor, der vor zehn Jahren mal ein erfolgreiches Buch geschrieben hat, schafft es wunderbar, seiner Frau alles aufzubürden und ihr noch das Gefühl zu geben, sie würde nicht genug für ihn und die Kinder tun.
Und dann ist da noch die manipulative Haushälterin Elyse, die hinter ihrer freundlichen Miene ein böses Spiel treibt. Sie erkennt sofort die Schwachstellen bei jedem und macht sich auf ihre Art unentbehrlich.
Natürlich hatte Jodi ihre Referenzen überprüft, allerdings kann sie nicht ahnen, dass am anderen Ende der Leitung der angebliche Sohn von Elyse sie in den höchsten Tönen gelobt hat. Er ist es auch, der sich clever und voller einfühlsamer Worte an Jodi heranmacht und sie ins Bett bekommt. Allerdings hat die empfindliche Jodi zu diesem Zeitpunkt den Verdacht, dass ihr Mann, was dann auch stimmt, eine Affäre mit einer um Jahre jüngeren Studentin hat.
Alles verworren und schrecklich und dann fällt ausgerechnet auch noch Jodis Mutter, die sich ebenso kaltherzig wie ihr Mann Jodi gegenüber verhalten hat, die Treppe hinunter und ist tot.
Inzwischen hat sich Elyse schon mal ein paar teure Schmuckstücke der Mutter schenken lassen, und keine Frage, sie teilt auch das Bett mit Jodis Vater.
Mögen Jodi und Tracy, sie insbesondere aus Angst ums Erbe, nun gemeinsam gegen die unerwünschte Haushälterin vorgehen, so beherrscht Elyse perfekt das Prinzip teile und herrsche.
Natürlich heiratet Elyse ihren reichen Arbeitgeber und beginnt ganz langsam alle zu erpressen. Jodi wird mit Elyses Sohn konfrontiert und ihrem Fehltritt, von dem es natürlich Fotos gibt und Tracy soll laut Anweisung des Vaters endlich einen Job finden, und er oder vielmehr Elyse sperrt ihre Kreditkarten.
Als dann der einst so starke Vater, der jedesmal bei Jodis Anblick ihr suggeriert, sie hätte zu viel Speck auf den Hüften ( sehr charmant ), gesundheitlich immer mehr abbaut und seine neue Frau jeglichen Kontakt zur Familie unterbindet, läuten bei den Töchtern, die die einstige Haushälterin ebenfalls gegeneinander ausgespielt hat, endlich die Glocken.

Spannend und psychologisch überzeugend liest sich dieser typische, wie immer sehr unterhaltsame Joy Fielding Roman, in dem allerdings die Figuren, z.B. die schillernde, sich nie auf eins konzentrieren könnende Tracy zu überzogen sind. Sie kann sich für keinen Beruf entscheiden, aber nach einem Schreibkurs, natürlich ist sie die talentierteste von allen Teilnehmern, verfasst sie den ultimativen Besteller und geht auf Lesereise durch Europa. Wenn es doch so einfach wäre!