Simone Meier: Reiz, Kein & Aber Verlag, Zürich 2021, 238 Seiten, €22,00, 978-3-0369-5839-2

„Das Wichtigste war jetzt, in Ruhe alt zu werden, die letzten Stürme der hormonellen Schlechtwetterlage auszuhalten und sich dann innerlich an den mild besonnten Strand nach der Apokalypse des Klimakteriums zurückzuziehen. Es sollte dort wunderbar sein, sagten alte Frauen, eine Art vorgezogenes Jenseits, wenn man sich das Jenseits denn als paradiesischen Zustand der Zufriedenheit ohne Anschläge gegen unten und oben vorstellte.“

Nun ja, ob es wirklich so entspannt sein wird ( Scheidentrockenheit, Hitzewallungen, Schweißausbrüche in der Nacht, abfallende Konzentrationsfähigkeit u.v.a.m.), steht allerdings in den Sternen. Jetzt jedoch hat die Hauptfigur Valerie mit ihren Mitte fünfzig noch allerhand Abenteuer vor sich. Immerhin verlustiert sie sich noch mit einem gutsituierten, viel jüngeren Unternehmer und Toyboy und der Traum vom kleinen französischen Strandhaus mit dem berühmten Schauspieler F. ist eigentlich zum Greifen nahe. Über F. hatte Valerie in jungen Jahren ziemlich kritisch geschrieben. Er hat sich bei der Zeitschrift beschwert und seltsamerweise ist nun aus diesem Disput eine harmonische Freundschaft zwischen den beiden entstanden.

Valerie erscheint als literarische Figur bereits in Simone Meiers Roman „Kuss“. Hier ist sie „die Hexe“, die das Haus ihrer verstorbenen Großmutter verkaufen will, und die Nachbarn beobachtet.
( Besprechung unter folgendem Link: karinhahnrezensionen.com/lese24/?p=3190 )

Resümierend berichtet Simone Meier aus der personalen Perspektive von Valeries Kindheit und Jugend, beruflichem Werdegang und ihren Gedanken im Alter. Valerie entfernt sich aus ihrer kleinbürgerlichen Herkunft wird Journalistin, ohne eine Familie zu gründen. Ihren Focus legt sie auf die Arbeit bei Zeitungen, hunderten Geschichten, die sie schreibt und am Ende weiß, alles wiederholt sich. Kurz vor dem Zusammenbruch und Burnout flieht sie nach Dallas zu einem Freund.

„Sie musste endlich wieder mehr werden als nur ihre Arbeit.“

Aber daran wird sich nicht viel ändern.

Ganz anders das Schicksal des neunzehnjährigen Lucas. Er ist der Sohn vom Schauspieler F., den er als Vater nie erlebt hat. Lucas‘ Mutter und Schmuckkünstlerin, die jetzt mit Anna zusammenlebt, hatte sich den potenten F. auserwählt. Lucas hat die Schule geschmissen und klammert sich an seine Freundin Malou, die aber eigentlich in Schweden ihre ganz eigenen Wege gehen möchte.
Stehen für den unsicheren Lucas alle Tore offen, so schließen sich für Valerie so einige. Sie muss aufpassen, dass die Zeitschrift sie nicht vor die Tür setzt und sich „Frischfleisch“ ordert.
Am Ende wird Valerie für Lucas ein Praktikum organisieren, ihn sogar mit einer jungen Frau namens Kia ( nach dem Auto benannt – eigenartiger Humor der Autorin ) bekannt machen und alle schauen in den Himmel.

Simone Meier jongliert in ihrem Roman mit Lebensanfängen und Lebensentwürfen, die auf das Ende zielen und sich so dem Zeitgeist andienen. So suchen die jüngeren Protagonisten nach Sicherheit und Strukturen, die die Elterngeneration ihnen nie vorgelebt hat. Die alteren jedoch sind beruflich mit ihren Erfahrungen nicht mehr gefragt. Wohin diese Geschichte laufen wird, verrät die Autorin vielleicht in einem dritten Roman.