Elke Heidenreich: Männer in Kamelhaarmänteln, Carl Hanser Verlag, München 2020,224 Seiten, €22,00, 978-3-4462-6838-8

„Es war schwarz und gemustert mit unzähligen weißen Blüten und roten kleinen Erdbeeren mit grünen Blättchen. Mein Erdbeerkleid, ein vierstelliger Preis, noch nie getragen. Wunderschön. Lange Ärmel, tiefer Ausschnitt. Ich zögerte keine Sekunde. Ich wickelte meinen italienischen Nero in dieses italienische Kleid.“

Der berühmte schwarz-weiße Kater Nero Corleone, der Elke Heidenreich offensichtlich mühelos ein gutes Einkommen durch die gleichnamige Erzählung mit wundervollen Bildern von Quint Buchholz ( natürlich im Carl Hanser Verlag erschienen ) bescherte, fand seine letzte Ruh im Designerkleid von Guiseppe Ungaro. Viel zu früh für einen Kater starb Nero an einem Gehirntumor und lang beweint wurde er standesgemäß mit der deutschen Erstausgabe „Nero Corleone“ und der italienischen im sauteuren Seidenkleid begraben.
„G’scheit ist sie ja schon.“, die Elke Heidenreich, aber fesch ist sie nicht, so das Gespräch von zwei Damen auf der Toilette, die Elke Heidenreichs Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele gehört hatten. Und da haben sie vielleicht sogar recht, denn Elke Heidenreich ist eigentlich keine Person des öffentlichen Lebens, deren Name man in einem Atemzug mit Mode nennen würde. Nun kennt man sie nicht persönlich und doch verbindet man mit ihr eher Samtjacken und Hosen ( vielleicht noch aus ihrer von vielen geliebten ZDF-Literatursendung „Lesen!“ ) in gedeckten Farben. Ihre sehr persönlichen Erinnerungsreisen zu Plätzen und Zeiten, in denen Jacken, Mäntel, Schuhe und Kleider, mal auserwählt schön, mal totale Fehlgriffe, im Zentrum stehen, lesen sich amüsant und zeigen eine neue Seite der gern spontan agierenden Kölner Moderatorin und Autorin.
So lernt man von ihr, dass perfekte gut gekleidete Männer zum Glück ohne die gängigen Turnschuhe an den Füßen durchaus keine Liebhaber guter Literatur sein müssen. Wir erfahren, dass sie Kamelhaarmäntel nicht ausstehen kann. Das mag etwas mit ihrem lebenslustigen Vater zu tun haben, vielleicht aber auch mit der Farbe des Mantels, die nur den wenigsten Männern steht.
Besonders einprägsam sind die Geschichten, in denen Elke Heidenreich ( ab und zu auch mit Bildbeweis ) von sich und ihren Kleidererlebnissen berichtet. Sie kauft ein traumhaft schönes Kleid in Venedig und weiß doch, dass ihr dieses Kleid nie passen würde. Für sie ist es Kunst. Ein bisschen ironisch, nie sarkastisch, erwägt Elke Heidenreich, dass sie vielleicht als ältere Dame etwas kleiner und dünner ins geliebte Kleid passen könnte.
Immer wieder taucht neben dem Vater, ihren Jugenderinnerungen u.a. an ein grünes zauberhaftes Kleid aus Duchesse, die eigenwillige wie kratzbürstige Mutter auf. Sie findet heraus, wie man im Fundbüro zu guten Handschuhen kommen kann und lehnt im hohen Alter den jungen Arzt ab, der in Pullover und Jeans ihr etwas vor- und verschreiben möchte.
In einer Zeit, in der eine Frau namens Marie Kondo Menschen erklärt, wie sie ihren überfüllten Kleiderschrank leeren können, spielt es keine Rolle mehr, wie lang man einst für einen Mantel oder ein Kleid gespart hat. Wertschätzung für Kleidung könnte jedoch in Anbetracht der Klimakrise wieder in Mode kommen, doch nur für diejenigen, die es sich leisten können. Die Massenkäufe in Billig-Warenhausketten mit entsprechend schlechter Qualität und die Wegwerf-Unsitte von Versandunternehmen untergraben den Blick auf das einzelne Kleidungsstück mit Achtung und Langzeit-Trage-Dauer.
Verwechselt in einer Geschichte ein Mann seinen Mantel mit dem von der Erzählerin und führt diese komische Situation, zumal ihr Schlüssel in der Manteltasche war, zu einer Beziehung, so hält diese dann vielleicht vier Jahre, aber der Mantel wird viel länger getragen. Wie fragil Beziehungen auch in Bezug auf Kleidung sind, dieser sensiblen Thematik widmet die Autorin mehrere Geschichten. Da ist die noch frische Liebe, die sicher keiner Reizwäsche bedarf und das erste Date, bei dem man auch durch Kleidung beeindrucken oder mal einfach nur casual aussehen möchte und genau daneben greift.
Leichthändig geschrieben, nie sentimental, verzaubert Elke Heidenreich mit ihren kurzen unterhaltsamen Anekdoten, Beobachtungen und tragikomischen Geschichten rund um Kleider und Mäntel sicher jede auch nicht so unbedingt an Mode interessierte Leserin. Witzig ihr Resümees an berühmte Kleider aus Filmen am Ende des Buches, aber auch ihre Begegnungen mit Idolen, wie Susan Sonntag oder Heinz Rühmann, durch die sie auch mal einen traumhaft schönen Pullover schnorren konnte.