Kristina Ohlsson: Die Tote im Sturm, August Strindberg ermittelt, Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann, Limes Verlag, München 2022, 544 Seiten, €16,00, 978-3-8090-2753-9

„Die Halskette, die auf Klåvholmen gefunden worden war, veränderte alles. Durch diesen Fund gab es jetzt den konkreten Verdacht, dass im Zusammenhang mit Agnes‘ Verschwinden ein Verbrechen geschehen war. Sie war in der Gegend geboren und aufgewachsen, sie wusste, dass die Klippen von Klåvholmen rutschig wurden, wenn sie nass waren.“

Ja, wer und warum hat jemand Agnes Eriksson an diesem dunklen Abend, dazu gezwungen diesen gefährlichen Weg zu nehmen? Die beliebte Lehrerin, Anfang vierzig, ist seit Tagen verschwunden. Ihr Mann und ihr Sohn Isak sind verzweifelt. Isak attackiert sogar die angeblich unfähigen Polizisten, die alles versuchen, um Agnes zu finden. Kriminalkommissarin Maria Martinsson und Ermittler Ray-Ray setzen trotz widriger Umstände, immerhin ist ihr Kommissariat ein wackliger Campingwagen, alle Hebel in Bewegung, um die Vermisste aufzuspüren. Zeitgleich mit der intensiven Suche erscheint August Strindberg, der Stockholmer, im kleinen Hovenäset ( 180 Einwohner ) am Meer. Er hat als geschiedener Finanzberater keine Lust mehr auf das Stadtleben und hat das Beerdigungsinstitut gekauft, um demnächst in den Räumlichkeiten einen Secondhand – Shop aufzumachen. Vorübergehend, immerhin muss Wohnung und Laden renoviert werden, wohnt er im sogenannten „Eishaus“. Alle im Ort wissen, dass vor Jahren in diesem Haus eine junge Frau ermordet, zerstückelt und dann in den Gefrierschrank verfrachtet wurde.

Nach und nach macht die schwedische Autorin Kristina Ohlsson die Lesenden mit den Örtlichkeiten an der westschwedischen Küste vertraut und auch mit den Personen, die demnächst die Fälle lösen sollen. Trotz Ankündigung ist August Strindberg, vielleicht um tausend Ecken mit dem berühmten Autor verwandt, noch nicht so richtig mit dem Fall betraut. Sein neues Business hat allerdings schon etwas damit zu tun.
Dann sind da natürlich die Polizisten, der attraktive Ray-Ray, Vater von Kindern, aber allein lebend und Maria Martinsson, Ehefrau von Paul. Die kinderlose Ehe der beiden scheint von außen betrachtet, harmonisch zu sein. Allerdings verdeckt Maria sorgfältig ihre Verletzungen und blauen Flecken. Gewiefte Schläger und Ehemänner neigen ja nicht dazu, ihren Opfern ins Gesicht zu treten. Warum Maria als Polizistin ihren Mann gewähren lässt, panisch Angst vor seinen Launen hat und eigentlich aus Erfahrungen mit anderen Frauen wissen müsste, dass diese Kette der Gewalt nur aufhört, wenn sie selbst dem ein Ende setzt, bleibt ein Rätsel. Zum Glück wird Ray-Ray, der schon längst bemerkt hat, was mit Maria los ist, Zeuge und mit seiner Anzeige befreit er Maria, die diese Hilfe nicht annehmen will. Für Maria ist ihre Arbeit alles, die Scham im kleinen Ort einzugestehen, dass ihr eigener Mann sie verprügelt, schien zu groß zu sein. Auch die Ehe von Agnes und Fredrik, glauben alle, ist intakt. Agnes Tagebuchaufzeichnungen, die die Handlung durchbrechen, erzählen etwas anderes. Und noch eine Familie steht im Mittelpunkt der Geschichte. Isaks Freund Karl und seine Eltern sorgen sich um Agnes und ihr Schicksal.
Die verängstigte Mutter von Karl versucht den hochbegabten Sechzehnjährigen an sich zu binden, was völlig unmöglich ist. Die Freundschaft zum aggressiven Nachbarsjungen Isak ist ihr schon immer ein Dorn im Auge.

Es ist ein perfekt getimter und überzeugend konstruierter Krimi, bei dem keine Zeit bleibt für die Frage, warum man das jetzt liest oder ob nicht etwas anders wichtiger wäre. Psychologisch interessant verbindet nun die schwedische Autorin den aktuellen Mord an Agnes mit dem Mord der jungen Frau im Eishaus. Dass die Fäden bei August Strindberg zusammenlaufen, ist eher zu Beginn Zufall. Dass er Maria attraktiv findet und auch sie ihn sehr beachtet, auch wenn sie sich nur im Lesekreis erst mal beschnuppern, lässt auf neue Konflikte und vielleicht mehr als eine Liebesgeschichte hoffen.

Gut gebauter Krimi für den Auftakt einer Reihe von Kriminalgeschichten in kleinen Ortschaften am Meer mit roten Bootshäusern, rauem Wetter und ambivalenten Figuren!