Katrine Engberg: Glutspur – Die Wurzeln des Schmerzes, Der erste Fall von Liv Jensen, Aus dem Dänischen von Hanne Hammer, Piper Verlag, München 2023, 464 Seiten, €18,00, 978-3-492-06511-5

„Sie sah ihr eigenes Gesicht im Glas und zog den Hotelmantel fester um sich. Hinter ihr lagen geschlossene Türen und vor ihr Ungewissheit und halbherzige Pläne. Wenn man seine Träume verliert, verblasst das Leben zu nichts.“

Liv Jensen mag zwar klein sein und vielleicht auch leicht zu übersehen, aber sie hat einen eisigen Willen und sie nimmt ihre Polizeiarbeit durchaus ernst. Nun ist die Neunundzwanzigjährige von Nordjütland in die Hauptstadt Kopenhagen gezogen, eine Stadt, die Liv eher als selbstverliebt und arrogant einschätzt. Aber die junge Frau, die sich gerade von ihrer Freundin getrennt hat, möchte zwar weiterhin als Ermittlerin arbeiten, aber ab jetzt als Privatdetektivin. In ihren Erinnerungen sieht sie immer ihren geliebten Großvater vor sich und weiß, was er in bestimmten Situationen sagen würde. Seine Urne steht in ihrer neuen Wohnung, die sie bei der Familie Leon bezogen hat.

Hannah Leon und ihr Vater Jan trauern um Daniel, Hannahs Zwillingsbruder, der sich nach seinem Gefängnisaufenthalt selbst getötet hat. Er wurde beschuldigt, in einer manisch-depressiven Phase angeblich seine Frau Penelope ermordet zu haben. Nach dem tragischen Tod des Bruders informiert die Gefängnisleitung Hannah über Schriftzeichen, die Daniel in seiner Zelle hinterlassen hat. Seltsamerweise hat er breit auf der Wand in Aramäisch geschrieben.

Ein guter Bekannter der Familie, der auch Jan Leon in vielem unterstützt, ist der Automechaniker Nima Ansari, der einst aus dem Iran über die türkischen Berge nach Dänemark geflohen ist. Als Nima fünf Jahre später seine einstige Geliebte Marianne wiedersieht, ahnt er nicht, dass er ebenfalls bald in einen Mordfall verwickelt sein wird.

Liv kann ihrem alten Mentor Petter Bohm nichts abschlagen und so willigt sie ein, einem Fall nachzugehen, bei dem Petter das Gefühl hatte, die Polizei war zwar nicht nachlässig, konnte aber zu keinem Resultat gelangen. Es geht um den Mord an dem Journalisten Gert Linde, der in seiner Wohnung erwürgt wurde. Liv beginnt nun erneut zu recherchieren und schaut sich auch an, woran das Opfer zuletzt gearbeitet hat. Offensichtlich wollte Gert Linde ein Buch veröffentlichen. Interessant für Liv ist auch das familiäre Umfeld. Um den Bruder von Gert Linde aufzusuchen, muss sie wieder in den Norden Dänemarks fahren. Hier liegt der Hof, der den Brüdern gemeinsam gehört. Allerdings muss es um den Grund und Boden angesichts von einem Bauprojekt im Nationalpark Thy zwischen den Brüdern zu Differenzen gekommen sein. Gert Linde wollte ein Museum auf dem Hof errichten, Bruder Jens allerdings verkaufen. Auf dem alten Hof sucht Liv intensiv nach einem bestimmten Notizbuch von Linde und wird fündig.

Parallel erzählt Katrine Engberg von mehreren Verbrechen, zwischen denen am Ende über viele verschiedene Kanäle ein Zusammenhang besteht. Allerdings zieht sich die detailreiche Handlung sehr zähflüssig dahin und man muss angesichts der agierenden, zahlreichen Figuren in unterschiedlichen Konstellationen aufpassen, dass man nicht den Faden verliert. Katrine Engberg deutet vieles an, um dann ihre Hauptfigur wieder in neue Richtungen zu schicken. Außerdem baut die dänische Autorin auch noch eine Erzählebene ein, die sich mit der Familie Leon und ihrer jüdischen Vergangenheit beschäftigt.

Auftakt einer neuen Reihe mit einer zwar interessanten Privatermittlerin, die sich allerdings eher nach einer festen Anstellung sehnt.