Jan Weiler: Älternzeit, Heyne Verlag, München 2023, 169 Seiten, €15,00, 978-3-453-27379-5

„Die Kinder brauchen ihre Geheimnisse und es ist wirklich besser, wenn man nicht alles weiß, weil man sonst die ganze Zeit wie ein geköpftes Huhn durch die Wohnung flattern und ‚Ogottogoo‘ rufen würde.“

Eigentlich ist auch das nicht ganz korrekt, denn während seines „ersten“ Urlaubs ohne Eltern dokumentiert der neunzehnjährige Sohn Nick in Kroatien alles haarklein in den sozialen Medien und Papa ist im Bilde, was da so am Strand und zwischen den Jungen abgeht. Der Vater, hier der Erzähler, musste in seiner Jugendzeit noch jeden zweiten Tag seine Eltern anrufen.

Auch wenn die Eltern und auch die Pubertiere nun älter geworden sind, die Kinder haben das Nest nicht verlassen, auch wenn Nick verkündet hatte, mit achtzehn sei er weg. Da er wohl noch eine Ehrenrunde in der Schule drehen muss, bleibt er bei Papa wohnen, der nicht „kettenhundmäßig“ hinter dem Sohn hinterhergeschnüffelt hat, damit dieser die Schule ernst nimmt. Die Eltern hatten sich in der Zwischenzeit getrennt und nun haben Mutter und Tochter und Vater und Sohn ihre ganz eigene WG gegründet.

Locker leicht erzählt Jan Weiler von seinen Erlebnissen mit seinem Sohn und seinen Erfahrungen mit einem Aktenschredder und Philadelphia – Käse, der wahrscheinlich ab einem bestimmten Punkt allein vom Kühlschrank zum Mülleimer laufen kann. Immer wieder gibt es beim Lesen von Jan Weilers Alltagsbeobachtungen Grund zum lauthals Lachen. So verwickelt den arglosen Vater die Tochter in ständige Diskussionen über politisch korrektes Verhalten und auch Sprechen und vor allem darf er keine Alufolie benutzen und soll sein Auto einmal im Jahr waschen. Warum Jan Weiler die Autowaschanlage so liebt, bleibt sein Geheimnis. Dass er nicht rechtzeitig für Weihnachten einkauft, passiert allerdings nicht nur Männern. Seine Suche nach dem Festnetztelefon lässt vermuten, dass er und auch niemand anders mal unter dem Sofa putzt. Und natürlich ist sein Verhalten an einer roten Ampel unentschuldbar, insbesondere, wenn die Mutter der Kinder Aurelian und Marle ihre Frust an einem weißen cis-Mann auslassen kann. Der Zeitgeist dringt beim Münchner Autor zwischen den Zeilen immer wieder durch und natürlich die Erkenntnis vieler Leser und Leserinnen, dass es bei ihnen zu Hause nicht anders zugeht. Es wird ohne Ende gemeckert ( auch auf die Deutsche Bahn ), allerdings von beiden Seiten und dann wiederum verbringt man eine gute Zeit zusammen, die aber nie von langer Dauer ist. Dann wird wieder gemeckert und man weiß, es wird Zeit, dass einer auszieht.

In wunderbarer Kürze bringt Jan Weiler das Lebensgefühl von Eltern mit ihren ja nun schon erwachsenen Kindern auf den Punkt, in der Hoffnung, dass ihnen endlich einfällt, was sie mit ihrem Leben eigentlich anstellen wollen.

Handlich kleines Buch zum Lesen in jeder noch so verzwickten Lage.