Taffy Brodesser-Akner: Fleishman steckt in Schwierigkeiten, Aus dem amerikanischen Englisch von Britta Mümmler, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2020, 509 Seiten, €24,00, 978-3-423-28221-5

„ Er hatte beschlossen, ohne Reue zu leben. Er hatte beschlossen, das er nichts zu bereuen hatte. Er hatte Gelegenheiten gehabt, doch er hatte auch Werte. Während seiner ganzen Ehe war er immer wieder bestraft worden, dass er sich nicht, so wie die Leute um ihn herum, in den Strudel der Gier hineinziehen ließ. Er wollte nicht mehr über Möglichkeiten nachdenken. Möglichkeiten waren eine Falle.“

Als Toby Fleishman, der nur 1.68 m Körpergrüße misst, seine Frau Rachel kennenlernt, hat er schon fast die Idee aufgegeben, dass sich wirklich eine Frau in New York für ihn interessieren könnte. Nach vierzehn Jahren Ehe allerdings spielt es keine Rolle mehr, dass die ständig missgelaunte Rachel größer ist als der inzwischen total frustrierte Toby, mit ihrer Künstleragentur bedeutend mehr Geld verdient als er als Hepatologe und beide eigentlich schon lang nicht mehr miteinander sprechen können. Über Jahre mussten sich die Kinder, Hannah ist jetzt elf Jahre und Solly neun, die hasserfüllten Gespräche der Eltern anhören. Dabei möchte Solly wie Toby, dass alle friedlich miteinander umgehen. In Hannahs Gesicht dagegen spiegelt sich die permanente Wut der Mutter und deren Streitlust. Zu gern hat sich Rachel in Gegenwart anderer Leute über Tobys Unkultiviertheit lustig gemacht, sie konnte nie verstehen, dass er nur Arzt sein wollte und nicht Leiter einer Klinik, wo er wirklich ein besseres Gehalt haben könnte. Dabei verdient Toby, seiner Meinung nach, genug Geld. Doch das kann und wird nie reichen, denn es muss die schickere Wohnung sein, das angesagteste Auto, die Privatschule für die Kinder und und und …

Nun steht die Scheidung von Rachel, die alles ( Wohnung, Haus in den Hamptons, Geld ) an sich gerissen hat, und Toby bevor und Toby bemerkt, der natürlich in Therapie ist, zum ersten Mal, dass er dank der schönen medialen Welt über Dating-Apps eine Menge Chancen besonders für kurzzeitige sexuelle Affären hätte.
Zwischen Trauer um die gescheiterte Ehe und ziemlicher Erleichterung über ein möglicherweise neues Leben schwankt der Vater zweier Kinder, zumal er derjenige war, der Hannah und Solly großgezogen hat.
Die emotionale Bindung an die Kinder ist bei Rachel nicht sonderlich groß. An ihrer Stelle kümmert sich Mona, eine junge Frau aus Ecuador um die Kinder. Rachel hechelt jedem Auftrag hinterher, sie arbeitet mehr als zehn Stunden am Tag und fühlt sich ausgefüllt. Aufgewachsen ist Rachel ohne Eltern bei einer Großmutter, die nicht in der Lage war, das Kind zu lieben, das ihr anvertraut wurde.
Rachel definiert sich über Arbeit und ist entsetzt, als die Frau, die sie unbedingt als Freundin haben musste, nur so mit dem Geld ihres Mannes oder auch ererbt um sich wirft und behauptet, dass auch sie hart arbeiten müsste. Ein Hohn in den Ohren der ehrgeizigen, wirklich erfolgreichen Rachel, die sich so würdelos an die Reichen der Welt herangewanzt hat.

Wie bisher kümmert sich Toby um die Kinder, er isst mit ihnen und weiß mehr über sie als seine Ex. Warum hat er diesen „Hausfrauen“-Status, wie ihn die Rechtsanwälte bezeichnen, als Facharzt akzeptiert? Warum konnte er mit seiner Frau nie über deren maßlose Ansprüche sprechen? Aber nun will er mal anders durchstarten, sein Freiheit genießen. Aber wieder zwingt Rachel ihm ihren Willen auf, indem sie die Kinder einfach bei ihm deponiert und sich nicht mehr meldet. Toby sucht verzweifelt nach Auswegen und kündigt auch noch Mona, die Solly einfach vor dem Rechner stundenlang Pornos hat ansehen lassen.

Rachel jedenfalls taucht nicht mehr auf. Denkt sie gar nicht an die Kinder, die glauben, sie sei tot?Hat sie einen anderen Mann?

„Der arme Kerl, dachte Toby.“

Immer wieder ändert die amerikanische Autorin die Perspektiven. Mal erzählt Toby, dann Elizabeth, eine ehemalige Freundin aus der Studentenzeit, zu der er auf Anraten der Therapeutin wieder Kontakt aufgenommen hat und am Ende sogar Rachel. Vielleicht ist ja sogar Elizabeth die eigentlich Autorin dieses amerikanischen Gesellschaftsromans, in dem es unumwunden um die bedrückende Gier nach mehr geht.

Spannend wie unterhaltsam zu lesender Roman über Luxusprobleme, in dem die traditionellen Mann-Frau-Rollen mal umgekehrt werden. Besser allerdings läuft es auch hier nicht.