John von Düffel: Der brennende See, Dumont Buchverlag, Köln 2020, 319 Seiten, €22,00, 978-3-8321-8122-2

„Aber seine Geschichte war nicht ihre Geschichte. Ihr Vater hatte nicht sich, sondern sie ausgelöscht. Die Entscheidung war immer schon da gewesen – ( … ) Hannah hatte sie nicht getroffen, sie war gefallen, ohne dass sie gefragt worden war.“

Hannah sucht ihn wieder auf, den Ort ihrer Kindheit irgendwo in Brandenburg, aber auch die Wohnung ihres Vaters. Sonderlich nah stand sie ihm nicht, auch wenn sie nach der Scheidung der Eltern bei ihm gewohnt hatte. Er, ein Schriftsteller, hat sich nicht sonderlich um sie gekümmert, es war auch ihr letztes Schuljahr vor dem Auszug. Und doch, er war ihr Vater, mit dem sie in aller Stille rauchen konnte und sich vielleicht doch verbunden fühlte. Hannah reist mit leichtem Gepäck, das hat sie von ihrem Vater gelernt, dessen Wohnung spartanisch eingerichtet ist, obwohl er hier fünfunddreißig Jahre gelebt hat. Als Schriftsteller unterwarf er sich einer täglichen Disziplin. Früh aufstehen, bei jedem Wetter im Baggersee schwimmen, schreiben. Am Ende waren Pflegekräfte da, die Hannah offenbar nicht kennengelernt hat. Sie wusste auch nicht, dass ihr Vater das Testament geändert hat. Hannah erwartet kein großes Erbe, denn die Bücher des Vaters verkauften sich zum Ende hin nicht besonders gut. Erstaunt registriert Hannah, die allein lebt, mittlerweile Mitte vierzig ist und als Übersetzerin arbeitet, dass ihr Vater eine Stiftung gründen wollte. Das finanzielle Polster erwartete sich der Vater vom Rechteverkauf seines vorletzten Buches, obwohl er sein letztes Buch „Das Wolkenbuch“, ein Stillleben der besonderen Art, eigentlich für viel bedeutender hielt. Doch die Filmfirma ließ sich von ihm nicht umstimmen.

Anwalt Lüders, mit dem Hannah etwas hatte, versucht sie nun zu überreden, dass sie das Testament nicht anfechtet und als Beraterin im Sinne ihres Vaters beim Film arbeiten könne. Hannah fühlt sich hintergangen. Nie ging es ihr um Geld oder ein reiches Erbe, sondern durch die Verkehrung der Ereignisse um die Frage: Warum hat der Vater sich so entschieden? Wer stand an seiner Seite und hat ihn umgestimmt?
Im Ort trifft Hannah ihre Jugendfreundin Vivien. Vivien lebt mit Mann Matthias und den Kindern Julia und Marvin wieder im Heimatort. Eigentlich wollten beide ein Pferdegestüt mit Schulungszentrum aufziehen, aber daraus wurde nichts. Nun sollen direkt am See altersgerechte Wohnungen gebaut werden. Ja, der Baggersee. Er wird zum Zankapfel zwischen Matthias und dem Stadtrat. Dabei will Matthias den See nur retten, denn in Planung ist eine Müllkippe im See genau vor Matthias Grundstück. Matthias sieht nur eine Möglichkeit, er will den See kaufen, denn die Angst vor Wasserknappheit und Dürre lassen ihn nicht schlafen. Nach und nach versteht Hannah auch, dass Julia engen Kontakt zu ihrem Vater hatte. Julia hat mit ihren sechzehn Jahren eine Umwelt-Gruppe gegründet, die ziemlich aggressiv vorgeht.
Hannah nähert sich der kämpferischen Julia, die ihre eigene Mutter auf Distanz hält. Sie erkennt, dass Julia glaubt, sie sei die leibliche Tochter von Hannahs Vater.

„Julia war nicht wie sie in jung, aber wenn sie noch einmal jung wäre, würde sie gern Julia sein.“

Den Roman zur rechten Zeit könnte man John von Düffels „Der brennende See“ nennen. Der Autor und das Wasser, beides gehört auf eine bestimmte Weise zusammen.
Die Geschichte spielt in einem besonders heißen April, die Wetterdaten stehen zu Beginn jedes Kapitels. Die Natur befindet sich durch die extremen Sommer im Ausnahmezustand und in einer Veränderungsphase, denn wie lange, so die Befürchtung des fiktiven Autors im Roman werden wir Wolken in all ihrer Pracht bewundern können?
Neben der Resignation vor wirtschaftlichen Entscheidungen steht aber auch der Mut, gegen die Zerstörung der Natur vorzugehen. Die Widersprüche unserer Zeit stehen ganz klar im Mittelpunkt und so sagte John von Düffel in einem Interview:

„Wir wachsen in einem System auf, in dem wir viel leisten und viel konsumieren sollen. Und am besten danach ganz schnell sterben.“