Gesuino Némus: Süße Versuchung – Sardinien – Krimi, Aus dem Italienischen von Juliane Nachtigal, Eisele Verlag, München 2022, 307 Seiten, €16,99, 978-3-96161-132-4
„’Die einzige Oase, an der die Leute wirklich Interesse haben, ist eine Steueroase, aber die werden sie uns hier nicht gestatten.’“
Wenn Gesuino Némus, auf Sardinen geboren, heute in Mailand zu Hause, von den Sarden spricht, dann dreht sich alles ums Schweigen und die Hoffnung, dass alles doch ein bisschen besser werden könnte. Denn wer nicht am Meer lebt, kann einfach keine Touristen ins Landesinnere locken. Neue Zukunftsideen müssen für den kleinen Ort Telévras her und vor allem ein neuer Vorsitzender des Heimatvereins. Als sich Sergiolino, der Busfahrer, wählen lässt, sind alle froh. Als dann aber das große Zukunftsprojekt von Ragionier Franco Farruncas auf den Tisch gelegt wird, sinkt die Stimmung. Geplant ist angeblich ein riesengroßes Gefängnis für Mafiabosse mit einer Bauzeit von zehn Jahren und massenhaft Arbeitsplätzen. Die Infrastruktur würde mit Straßen, Flughafen und Wasserleitungen aufblühen. Seltsam ist, dass mit diesen Mitteilungen noch gleich zwei Todesfälle die Dorfbewohner verunsichern. Eine Französin hatte wohl einen Verkehrsunfall an einer Stelle, an der man sich schon Fragen stellt und der neu gewählte Sergiolino erschießt sich, weil er angeblich seinen Job als Busfahrer verloren hat. Dass sich ein Linkshänder mit rechts erschießt, wirft ebenfalls Fragen auf. All diese stellt sich Marzio Boccinu, der Hauptkommissar in Narghilé.
Um der wirklich seltsamen Dorfbevölkerung, die nie mit einem Polizisten sprechen würde, auf den Zahn zu fühlen, behauptet Marzio, dass er den Polizeidienst an den Nagel gehängt habe.
Der Lesende mag ihm glauben oder auch nicht.
Langsam kann Marzio sich in der Bar von Samuele, der seine Gäste gern mit Puccini – Arien beschallt, sehen lassen. Marzio freundet sich mit dem Dorfdichter Donamìnu Stracciu an, lernt die fromme Titina Inganìa kennen und lieben und gewinnt langsam das Vertrauen der Leute.
Gemächlich schaukelt die Handlung so vor sich hin, dabei spielt auch noch ein Romanmanuskript mit wirklich skurrilen Ideen eine Rolle. Als dann auch noch Ragionier Franco Farruncas wegen Manipulation öffentlicher Ausschreibungen verhaftet wird, wächst der Ärger im Dorf.
Dann stellt sich noch heraus, dass die Französin vor dem Unfall erstickt wurde und Sergiolino niemals entlassen worden wäre.
Marzi sammelt nach und nach Informationen, die wirklich nur zähflüssig den Leuten aus der Nase gezogen werden können.
Bei aller Skurrilität der Sarden und ihren ganz eigenen Besonderheiten muss man schon sehr geduldig sein, um der Handlung zu folgen. Gesuino Némus neigt doch sehr zur Nabelschau und gibt hier den sozialen Verlierern eine Stimme. Im Reigen der Krimis, die auf Capri oder in den attraktiven südländischen Metropolen spielen, ist dieser eher das Stiefkind.