Maria Frensborg: Eine gute Frau, Aus dem Schwedischen von Karoline Hippe, Arche Verlag, Hamburg 2023, 283 Seiten, €23,00, 9783716028124
„Ach, komm schon! Stell dich nicht dümmer, als du bist … Du weißt genau, wo das Problem liegt. Flugreisen haben Folgen für das Klima. Und an der Stelle hast du es vermasselt, weil deine Reise wichtiger ist als die Zukunft der Erde. Jonas stöhnt, laut und übertrieben. Die Zukunft der Erde.“
Es ist die Wohlstandsverzweiflung, die die Hauptfigur in diesem Roman umtreibt. Helena, Ende dreißig, die sich für eine „privilegierte Person“ hält, und Jonas leben mit ihren Kindern wohl situiert in Schweden. Helena arbeitet als Layouterin einer Gewerkschaftszeitung und als gelegentliche Freelancerin und Jonas hat einen guten Job als Produktentwickler. Ihren Kindern Elmer und Juni fehlt es an nichts, sie hängen wie alle in der „virtuellen Schweißwelt“, wie es Helena bezeichnet, fest. Dabei daddelt sie stundenlang ebenfalls auf Instagram und sie googelt gern und weiß genau, dass dies von der eigentlichen Arbeit ablenkt.
Gleich zu Beginn lässt Maria Frensborg ihre Lesenden wissen, dass Helena in einem Flugzeug sitzen wird. Als allerdings Jonas aufgrund einer Bonuszahlung seiner Familie zum Osterfest eine Freude machen will, tickt Helena völlig aus. Sie kann nicht fassen, dass Jonas eine Flugreise nach Mallorca gebucht hat. Sie ist strickt gegen jegliche Klimaschädigung. Natürlich sind die Kinder begeistert und sie ist die Spielverderberin. Dabei hat Helena in allen Lebensbereichen das Gefühl, dass sie wie auf Eiern läuft. Immer diese Angst irgendetwas Falsches zu äußern, auf Worte achten, achtsam sein und bloß nicht rassistisch als weiße Frau rüberkommen. Helena liest alle vom Feuilleton empfohlenen Bücher, um ja auf dem Laufenden zu sein. Geradezu obsessiv ist ihr Drang, Obdachlosen etwas zu geben. Wenn es Lebensmittel sind und kein Geld, beschwere sich diese sogar, was sie eigenartigerweise gar nicht stört. In allen Auseinandersetzungen mit ihren Kindern, die sich wie kleine Paschas benehmen, glaubt sie, sie sei im Unrecht. Die Kritik ihrer elfjährigen Tochter, sie doch bitte erst zu rufen, wenn das Essen auf dem Tisch steht, ficht sie nicht an. Sicher hat Helena Probleme mit dem Bildschirmkonsum der Kinder, doch bei Elmer, der bereits eine Freundin hat, kann sie wenig ausrichten. Helenas bemühtes korrektes Verhalten, ihre Hybris, aber ihre Fixierung auf Äußeres, wie ihre Unsicherheit dem normalen Leben gegenüber, machen sie nicht sonderlich sympathisch.
Natürlich tritt sie einer neuen Umweltorganisation bei und ist eher diejenige, die alle, insbesondere die vielen jungen Frauen, beobachtet, als dass sei wirklich für die Sache brennt.
Maria Frensborg lässt ihre Lesenden in die Gegenwart und die Vergangenheit ihrer Hauptfigur Helena blicken. Wie ist sie so geworden und warum verhält sie sich so und nicht anders? Und warum sind plötzlich alle so hysterisch? Wo sind die moralischen Pfeiler, an denen man sich aufrichten könnte und warum verlässt sich niemand mehr auf seine eigenen Instinkte?
Dass sie dann doch ins Flugzeug steigt und sich dabei völlig lächerlich macht, denn natürlich geht es nur um Helenas Egoismus, scheint die heimliche Strafe für ihr Verhalten der Familie gegenüber zu sein.
Ein Blick ins wahre Leben mit einem Augenzwinkern!