Harry Kämmerer: Isartod, Nagel & Kimche, München 2021, 365 Seiten, €18,00, 978-3-312-01240-4
„‘ Eben. Klare Rollenverteilung. Wir sind die Bad Boys, Sie sind das Good Girl, okay? Vielleicht erfahren Sie dann später mehr. Sie erklären Zankl noch mal ihre Theorie und überlegen dann gemeinsam, wie wir weiter vorgehen. Ich steh auf Teamwork.’“
Das verkündet in aller Ruhe und zum Glück auf Hochdeutsch der fünfundfünfzigjährige Hauptkommissar Karl – Maria Mader seinen Mitarbeitern. Natürlich erklingt in diesem Krimi, der in München spielt, auch der bayerische Dialekt. An Maders Seite ist nicht nur sein Dackel Bajazzo, sondern auch Frank Zankl, der Fußball liebt und seiner Frau zu gern ein Kind machen würde, was jedoch so gar nicht klappen will. Und dann ist da noch Klaus Hummel, der Mann mit der riesigen Bibliothek voller Krimis und eigenen Ambitionen, einen zu schreiben. Fleißig führt Hummel Tagebuch und wünscht sich so sehr, dass Bardame Beate ihn endlich beachtet. Als Verstärkung stößt zum Team dann noch Doris Roßmeier, die recht despektierlich von Zankl „Das Sams“ genannt wird. Aber die dralle Doris ist vielleicht ein bisschen zu eifrig, schnell im Kopf, aber auch anpassungsfähig.
Etwas ausgebrannt und seit Jahren geschieden wohnt Mader, der ständig von Catherine Deneuve und Paris träumt, nicht gerade im feinen Stadtteil von München. Ziemlich seltsam ist auch, dass er, wenn andere Kaugummi kauen, zu Brühwürfeln greift.
Auf jeden Fall beginnt alles mit einer ziemlich weichen Wasserleiche, gekleidet in sehr teuren Dessous. Gefunden wird die arme Olga vom Escort-Service in der Isar unweit vom Eiskanal.
Natürlich hält ihre Chefin Elena von Mondo 6 ihren Mund, als die Polizei anrückt. Sie möchte natürlich, dass ihre russischen Bodyguards vom letzten Auftraggeber von Olga ein Schweigegeld erpressen. Eduard von Haslbeck hatte auf Burg Waldeck zu einem Fest mit entsprechenden Damen eingeladen und jede Burg hat auch so ihre Folterwerkzeuge. Dass Olga als Folterdirn auf einer Streckbank aus Versehen zu Tode kam, ist nicht nur die Theorie, sondern auch Praxis. Haslbecks Schwiegersohn, Dr. Heribert Patzer, lässt Olga entsorgen und ahnt nicht, dass sie gefunden werden könnte. Aber nun ist guter Rat teuer. Doch vielleicht ist der Leichenfund ja auch für den Schwiegersohn ein Segen, denn nun kann er seinen Schwiegervater doch noch um seinen Grund und Boden bringen. Sein neuestes Projekt mit arabischen Investoren soll genau an der Isar gebaut werden, aber der bayerische Umweltminister ist nicht begeistert. Bevor jedoch Eduard von Haslbeck sich aufregen kann, ist auch er tot. Angeblich hat er sich aus dem Burgturm in den Tod gestürzt. Doch niemand will das so recht glauben.
In schnellen Gedankensprüngen und Wortkaskaden entwirft Harry Kämmerer ein Bild von seiner Stadt München und ihren ganz speziellen Einwohnern. Da sind diejenigen, die mit skrupellosen Geschäften sich einen Namen machen und die, die endlich mal etwas vom großen Kuchen abhaben wollen. Eine Hand wäscht die andere, es wird gut gegessen und natürlich werden Geschäfte gemacht. Allerdings sollte man sehr vorsichtig dabei sein, Informationen, die nicht für einen bestimmt waren, für Erpressungen zu nutzen. Der kleine Kellner Luigi, der Geliebte von Patzers Ehefrau, hofft auf das große Geld. Er träumt von einem kleinen Lokal mitten in München und will vor seinem Mallorca Urlaub noch so richtig kassieren. Allerdings ist die Info von Patzer brandgefährlich und Luigi findet sich, Mader formuliert es so schön, wie eine Weihnachtsgans auseinandergenommen vor der Allianz Arena wieder.
Mit komischen Slapstick – Einlagen, reichlich skurrilem Personal aus dem Rotlichtmilieu bis zu höchsten gesellschaftlichen Kreisen, klaren Regieanweisungen, Tagebucheintragungen und mehreren leider misslungenen Romananfängen bereichert Harry Kämmerer als München – Liebhaber seinen temporeich geschriebenen Roman, der bereits 2010 veröffentlicht wurde und nun als Neuauflage bei Nagel & Kimche erschienen ist.