Meg Wolitzer: Die Zehnjahrespause, Aus dem Englischen von Michaela Grabinger, DuMont Buchverlag, Köln 2019, 448 Seiten, €24,00, 978-38321-8107-9

„Niemand wusste genau zu sagen, was ein erfülltes Leben war; jeder hatte seinen eigenen Maßstab.“

Alles dreht sich um die Kinder. So bleiben die einen nach der Geburt acht kurze Wochen Zuhause und andere drei Jahre. Wiederum andere Mütter dehnen ihre Kinderzeit auf zehn Jahre aus, so geschehen bei Amy, Jill, Karen und Roberta.

„Keine Kanzlei, kein Unternehmen der Welt konnte einem geben, was man vom eigenen Baby bekam.“

Und schauen sich die Frauen in den Klassen ihrer Kinder um, dann stürzen sich die Cheflektorinnen, die Juristinnen, die Lehrerinnen, alle gut ausgebildet, in das Abenteuer Vollzeitmutter. Doch sind sie wirklich glücklich? Brauchen die zehnjährigen Söhne und Töchter noch ihre Mütter, die sie brav in die Schule bringen, sie abholen und rund um die Uhr versorgen. Der Vater ist der Familienversorger und Wochenendpapa, morgens in die Arbeit, abends k.o. wieder zu Hause.

Meg Wolitzer umkreist mit leicht ironischem Blick und stellenweise viel Humor in ihrer detailreichen Handlung, intakte Familien, die in New York leben und nach außen hin glücklich scheinen. Doch der Leser schaut tiefer in die Innenleben der vier Mütter, die sich regelmäßig zum Kaffee treffen, bis Jill Hamlin aus der Stadt nach Holly Hills zieht. Er weiß, dass Amy Lambs, Anfang 40, bereits einen Versuch gestartet hatte, um wieder als Anwältin zu arbeiten. Bereits im Vorstellungsgespräch scheiterte sie an einem neuen Computersystem, dessen Name geschweige denn Handhabung ihr völlig fremd waren.
Amys Mutter, eine gestandene Autorin von historischen Romanen, kann die inaktive Tochter so gar nicht verstehen. Sie hatte ihren drei Töchtern relativ früh klargemacht, dass sie auch allein klarkommen müssen, denn sie will ungestört schreiben. Problematisch ist auch, dass Amy weiß, dass ihr Mann Leo mit seinem Anwaltsgehalt die teure Wohnung und die Lebenshaltungskosten nicht mehr lang tragen kann, zumal Sohn Mason standesgemäß auf eine Privatschule gehen muss.

Auch Roberta, die eher verkappte Künstlerin, lebt mit ihrem Mann in einer extrem kleinen geerbten Wohnung mit zwei Kindern. Er arbeitet als Kameramann, führt allerdings an Wochenenden Stücke mit seinen Handpuppen vor. Jill fühlt sich einsam in ihrem neuen Wohnort. Sie hat Nadia, ein Waisenkind aus Sibirien adoptiert und hadert mit deren geistigen Fähigkeiten. Und Jill wurmt, dass sich Amy mit Penny, einer Vollzeit arbeitenden Mutter aus der Schule angefreundet hat. Penny leitet ein Museum, hat drei Kinder, einen großspurigen Banker als Ehemann und einen Liebhaber, namens Ian. Allerdings weiß nur Amy von dieser Liebesverbindung, die so tragisch enden wird. Denn Penny wird sich nie zu ihm bekennen, zu lieb und teuer ist ihr das luxuriöse Leben in New York. Amy hat sich auch nie Gedanken gemacht, was Penny eigentlich verdient.
Die Angst vor dem Unbekannten, dem Gewagten, dem Neuen lähmt alle Frauen. Nur Karen, die Frau, die mathematisch so begabt ist, scheint mit allem im Reinen zu sein. Sie liebt ihren Mann inniglich, sie können es sich leisten, dass Karen nicht arbeitet und wenn sie es wollte, wäre es auch in Ordnung. Karens Leben bewundern die Eltern, die aus sehr einfachen Verhältnissen einst aus Asien in die USA kamen. In gewisser Weise scheint sie für die Mutter, ihr Leben zu führen.
Nichts eskaliert wirklich in diesem Geschichtenreigen, der eher belegt, dass die Mütter der Generation, die Kinder weit vor 9/11 bekommen haben, hart arbeiten mussten, um es zu etwas zu bringen. Kämpft Amys Mutter für den Feminismus, so scheint diese Auseinandersetzung für die Tochter kaum eine Rolle zu spielen.

Unterhaltsam verfolgt man die inneren Stimmen der unterschiedlichen Frauen, die mit sich hadern und doch immer noch von ihren Männern begehrt werden wollen. Die Perfektion scheint im Haushalt angekommen zu sein, die Verunsicherung betrifft eher das äußere Leben und auch das können sie gut kaschieren. Können sich die einen die überteuerten Delikatessenläden leisten, so kaufen die anderen dort ebenfalls ein, um mithalten zu können. Als sich Amy und Leo endlich mal über ihre Schulden unterhalten, wird klar, dass sie weit über ihre Verhältnisse leben. Amy ist klar, sie muss sich wieder in den Fluss der Lohnarbeiter einreihen und was sie besonders bei dem Gedanken daran überrascht: Sie muss wieder jeden Tag Strumpfhosen tragen.

Der Erzählton in „Die Zehnjahrespause“ ist ruhig und gespickt mit trockenem Humor. Meg Wolitzer macht sich nie über ihre Vollzeitmütter lustig, sie zeigt sie in ihrem alltäglichen für sie normalen Leben, in dem sie sich oft fragen, ob sie alles richtig machen.