Rachel Abbott: Das Bootshaus, Aus dem Englischen von Leena Flegler, Blanvalet Verlag in der Verlagsgruppe Randomhouse, München 2020, 478 Seiten, €10,00, 978-3-7341-0786-3
„Erst allmählich hatte ihr gedämmert, dass Lucas jemand anderen für Alex‘ Tod verantwortlich macht wollte. Indem er jenen Abend erneut zum Leben erweckte, hoffte er womöglich, irgendetwas Hässliches, Schmerzhaftes ans Licht zu zerren, das damals gesagt worden war und letztendlich dafür gesorgt hatte, eine so junge, labile Frau wie Alex ins Verderben zu stürzen.“
Der wohlbetuchte Lucas Jarrett lädt seine Freunde, die er allerdings viele Jahre nicht gesehen hat, zu seiner Hochzeit ins große Herrenhaus am Strand von Cornwall nach Polskirrin ein.
Auch Matt, er arbeitet als Schönheitschirurg, und seine Frau Jemma, sie ist Logopädin, reisen an. Matt und Jemma sind noch nicht lang verheiratet und Matt hat wenig über Lucas erzählt. So fällt Jemma aus allen Wolken, als sie erfährt mit wem sie da Hochzeit feiern soll. Nina ist die glückliche Braut, obwohl sie manchmal darüber nachdenkt, warum Lucas sie erwählt hat. Aber Nina ist bodenständig und sie kann einigermaßen gut mit Alex, Lucas‘ Schwester, umgehen. Alex wurde, als sie vierzehn Jahre war, entführt und grausam vergewaltigt. Nun sind zwölf Jahre vergangen, aber dieses Trauma durchlebt die extrem dünne Frau jeden Tag. Sie wohnt im Bootshaus und geht jede Nacht schwimmen.
Zum Freundeskreis gehören noch der aufgedrehte Nick, seine zwielichtige Zwillingsschwester Isabel und der attraktive Andrew, der seine leicht esoterisch angehauchte Freundin Chandra mitgebracht hat. Die Autorin liefert nur wenige Hintergrundinformationen zu den einzelnen Figuren. Sicher fragt man sich, ob die Freunde von Lucas finanziell abhängig sind, denn alle stammen nicht gerade aus reichen Elternhäusern. Welche Beziehungen gab es in früheren Zeiten als alles noch in Ordnung war?
Erzählt wird diese absolut spannende Geschichte aus der Sicht der eher unbeteiligten Hochzeitsgäste: Jemma und Nina.
Auch Alex kommt in einem kursiv gekennzeichneten Teil zu Wort.
Die Atmosphäre in den Tagen vor der Hochzeit ist nicht gerade entspannt. Auch wenn viel Alkohol fließt und in Erinnerungen geschwelt wird, ist klar, dass Lucas der ungekrönte König der Runde ist.
Alle Freunde wollen ihm gefallen, ihn hofieren. Jemma spürt, dass auch Matt nicht unbefangen ist.
In Alex Aufzeichnungen deutet sich an, dass sie etwas entdeckt hat, was auf das Verbrechen, dass ihr angetan wurde, hinweist.
In der Nacht vor der Hochzeit geschieht dann das Unglück, Alex wird tot aus dem Wasser gezogen.
Lucas hält alle von der Leiche fern, die Polizei kommt und findet ein Video auf Alex‘ Computer, in dem sie ihren Selbstmord ankündigt.
Ein Jahr später lädt Lucas erneut alle Freunde mit Partnerinnen zu sich ein. Lucas Ehe mit Nina, sie hatten bereits einen Tag vor den Feierlichkeiten im Stillen geheiratet, und auch die Ehe von Matt und Jemma werden im Laufe der Zeit immer unglücklicher. Jemma kann sich nicht erklären, warum sich Matt zurückzieht und extrem viel arbeitet.
Lucas fordert von seinen Gästen am Todestag von Alex, dass sie mit ihm ein Partyspiel spielen. Für alle hat Nina genau die Kleidung anfertigen lassen, die sie auch vor einem Jahr getragen haben. Alles soll so genau wie möglich rekonstruiert werden. Lucas droht den Freunden, wenn sie nicht mitspielen, ihre Geheimnisse preiszugeben. Jemma ist nicht bereit sich auf diese Farce einzulassen und sagt Lucas auf den Kopf zu, dass sie glaubt, dass er annimmt, jemand aus der Runde der Freunde habe Alex getötet. Als dann Sergeant Stephanie Kind gemeinsam mit Angus Brodie von der Polizei in das Kammerspiel hineinplatzt, wird deutlich, irgendetwas an dem Tag ist schief gelaufen. Vermisst wird eine junge Rumänin, deren Verschwinden erst vor kurzem bemerkt wurde.
Als Jemma dann am Bootshaus überfallen und eingesperrt wird, nimmt die Geschichte an Fahrt auf.
Im zweiten Teil der Geschichte, der Rekonstruktion des Tages, verliert sich die Autorin in Details und trotzdem folgt man gebannt Rachel Abbotts weitschweifiger, in einfacher, dialogischer Sprache geschriebener Geschichte. Sie bleibt hinsichtlich des Innenlebens ihrer Figuren verschwiegen und so wird der Grundkonflikt nicht auspsychologisiert. Da die Autorin viele Leerstellen gerade durch die Unwissenheit ihrer Erzählerinnen und dann später der Polizei zulässt, kann der Leser sich zusammenreimen, welche Konflikte zwischen den Freunden einst entstanden sind und wie diese ausgetragen wurden.
Fazit: Ein Krimi, den man genau lesen muss, um zu erkennen, was wirklich gespielt wird.