Alexander Oetker, Sternenmeer – Luc Verlains delikatester Fall, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2022, 335 Seiten, €18,00, 978-3-455-01486-0
„Und schließlich achtete er darauf, alle Komponenten zusammen zu probieren, den sogenannten Akkord herzustellen: Er nahm alles zusammen auf die Gabel. Und schloss wieder die Augen, weil das Ergebnis so fein und gut war, dass selbst er, der legendäre Kritiker, von der Einfachheit, aber Qualität dieses Tellers hingerissen war…“
Nichts ist naheliegender, wenn man eine bestimmte französische Region und einen Commissaire zum Helden seiner Kriminalromane gemacht hat, und ihm einen Fall in einem Gourmet Tempel, ausgestattet mit drei Michelin Sternen, übernehmen zu lassen.
Luc Verlaines Elternzeit geht dem Ende entgegen und als der verfrühte Anruf seines Kollegen kommt, fährt er doch mit einem weinenden und einem lachenden Auge wieder zur Arbeit. Gut ist, dass Lucs Freundin und Mutter seines Kindes nicht die Absicht hat, sich allein zu Hause zu grämen. Anouk Filipetti, auch Partnerin bei der französischen Polizei, greift sich ihr Baby und los geht es.
Mit Freude breitet Alexander Oetker all seine Kenntnisse über die französische Küche auf wirklich gehobenem Niveau aus. Immerhin ist er selbst Restaurantkritiker der Zeitschrift „Der Feinschmecker“. Allerdings muss man leider sagen, dass es schon so einige Unterschiede zwischen deutscher und französischer Küche gibt, die auch der Laie unschwer erkennen kann.
Jedenfalls ist der zweiundsiebzigjährige, allseits bekannte wie gefürchtete Restaurantkritiker Ugo Gennevilliers auf seiner Reise durch Frankreich zum Ende hin in der Aquitaine angekommen. Unangekündigt, dabei wissen alle, dass er kommen wird, nimmt er seinen speziellen Platz im Nobelrestaurant bei seinem alten Freund Auguste Fontaine ein. Über dreißig Jahre im Geschäft und ausgezeichnet mit drei Michelin Sterne, immerhin war auch schon mal Präsident Mitterrand zu Gast, hat der ehrgeizige, oft auch aufbrausende Fontaine bisher hart gearbeitet, weder sich noch seine Köche je geschont. Nun sollen zum Abschluss seiner beruflichen Karriere endlich nochmals drei Sterne leuchten und dann will er entscheiden, wie es weitergeht. Keiner seiner Söhne wird das Restaurant übernehmen, denn Guillaume hat sich mit seinem Hof auf die Entenzucht und das Vertreiben der Foie gras, der Entenstopfleber, spezialisiert und Rémy hat zwar Koch gelernt, kann aber mit seinem anspruchsvollen Vater nicht zusammenarbeiten. Ist in Deutschland die Praxis zur Herstellung der Entenstopfleber verboten, so ist sie in Frankreich ein nationales Kulturgut. Seit geraumer Zeit jedoch belagern Guillaumes Hof Ökofanatiker und belästigen ihn und seine Frau. Als dann die schriftliche Drohung ins Haus flattert, mit der Behauptung, das die Foie gras vergiftet sei, kippt auch schon der berühmte Restaurantkritiker nach Verzehr der Köstlichkeit vom Stuhl. Ein Helikopter bringt ihn flugs ins Krankenhaus von Bordeaux. Die Polizei arbeitet auf Hochtouren und Auguste Fotaine ist am Boden zerstört. Sein Lebenswerk, glaubt er, nun zerstört. Doch schnell stellt sich heraus, dass nicht die Foie gras vergiftet war, sondern durch Liquid Ecstasy der extrem teure Wein, den Ugo Gennevilliers, was alle durch die Klatschpresse wissen, zu gern trinkt. Luc Verlain kann nicht verstehen, was hinter den Angriffen steht. Immer deutlicher wird, dass es nicht um die Entenstopfleber geht, sondern um Auguste Fontaines Restaurant. Als dann auch noch der verlorene Sohn Rémy im Lamborghini vorfährt und die Nachfolge des Papas antreten wird, eskaliert die Geschichte, denn Rémy wird kurz nach der Verkündigung seiner neuen Position erschossen aufgefunden.
Keine Frage, der sechste Verlain – Fall liest sich absolut spannend und ist reichlich gespickt mit Faktenwissen rund um den Michelin Stern, seine Vergabe, extrem teure Gerichte aus ausgewählten frischen Produkten nebst Weinen und noch viel interessanter, die Arbeit eines Restaurantkritikers. Erfrischend auch die Leichtigkeit, mit der sich die Kollegen von Verlain, speziell Hugo Pannetier, nebenher als Babysitter in Szene setzen.
Wenn man neu in die Reihe einsteigt, dann erscheint Luc Verlain, der seinen Vorgesetzten, einem unbedarften Schnösel aus Paris mit besten Beziehungen zum Innenminister, kaum Respekt entgegenbringt, als sympathischer und familienfreundlicher Commissaire. Der blumige Stil von Alexander Oetker ist etwas gewöhnungsbedürftig, in dem die Landschaften mit ihren einzigartigen Villen und vor allem das Meer als ständige Kulisse leuchten dürfen. Etwas einfallslos ist leider auch die Art, wie Gefühle verdeutlicht werden. Dazu müssen ständig Augen funkeln, blitzen oder glänzen.
Und doch – spannend geschriebener Plot mit interessanten Details rund ums exquisite Essen in Frankreich und die Tragik eines hart arbeitenden Kochs am Ende seines Berufslebens.