Tine Dreyer: Morden in der Menopause, Dumont Verlag, 286 Seiten, €17,00, 978-3-8321-6828-5

„Die Gewichtszunahme war eine Sache. Aber wenn die Wechseljahre bei mir dazu führten, dass ich Leute umbrachte, meinen Sohn schlug und mit dem Drogenkonsum meiner greisen Schwiegereltern überfordert war, dann bestand Handlungsbedarf.“

Nach achtsamem Morden und Rentercops in Altenheimen folgt nun ein für Frauen unumgänglicher Ausnahmezustand, der jede kriminelle Handlung einfach rechtfertigen muss. Schweißausbrüche, Herzklopfen, Schwindelgefühle, belastende Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen, Scheidentrockenheit, Blasenschwäche, Libidoverlust und heftigste Hitzewallungen gehören für viele Frauen, die in die Wechseljahre kommen zum künftigen Leben, und das kann unter Umständen Jahre andauern. Keine guten Aussichten für Liv Steinhammer, der Ich-Erzählerin dieses tragikomischen Romans ohne Ermittlerteam, Pathologen und die nervige Frage: „Wo waren Sie am…?“. Die Ehefrau und Mutter dreier Kinder, die alle mitten in der Pubertät gefangen sind, hat nicht nur einen Halbtagsjob als Küchenplanerin in Köln zu erledigen, sondern muss sich auch noch um die uralten Schwiegereltern kümmern, da Ehemann Jörn als Unternehmensberater die Kohle heranschaffen muss und unendlich viel arbeitet. Der Klassiker: Mama ist in der Vorstadt trotz Job für alles in Haus und Garten und vermeintlich gut erzogener Brut, die rebelliert, zuständig und Papa ist der Ernährer, der wenn er mal für Freunde kochte, zum absoluten Helden stilisiert wird. Liv allerdings, und diese Passagen erscheinen im Roman kursiv, reflektiert ziemlich selbstkritisch und selbstironisch ihr eigenes widersprüchliches Verhalten und ihre Position in der Familie. Später wird sie ihre einzelnen Morde für sich einordnen und Argumente finden, die sie sozusagen „frei sprechen“. Und um es gleich zu spoilern, man ist immer auf ihrer Seite.

Als der siebzehnjährige Hannes jedenfalls seinen Dealer in einer Schrebergartensiedlung trifft, Liv hatte dies per Zufall auf seinem Handy gelesen, hat sie in ihrer hormongesteuerten Hysterie nichts anderes zu tun, als dem Sohnemann abends zu folgen, und seinen Ankauf von Gras oder Ecstasy mit harschen Ermahnungen zu unterbinden. Dealer Freddy triggert die Achtundvierzigjährige mit Worten, die sie ihren Kindern eindeutig verboten hat und kaum dreht sich der kriminelle Typ um, hat er einen Hammer im Hinterkopf.
Zu dem ersten Mord gesellt sich der nächste, denn der Lieferant sucht natürlich nach seiner Ware, die Liv vorsorglich an sich genommen hat und vor allem nach dem Geld. In einem heillosen Durcheinander wird Liv immer mehr in Krisen geraten, von denen sie als brave Bürgerin, die immer ihre Steuern zahlt und sich um die Finanzen keine Sorgen machen muss, bisher keine Ahnung hatte. Dass ihr Schwiegervater spielsüchtig ist und ihr Mann sich nicht traut, dem Vater Einhalt zu gebieten und lieber sein Konto auffüllt, ist die eine Sache. Eine andere jedoch ist, dass Liv sich dann auch noch die Rumänin Iza kümmern muss, die für Freddy anschafft. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass der zuverlässige Jörn seinen Job vor gut sechs Wochen verloren hat. Chaos pur!
Ohne jemanden ausgrenzen zu wollen, ist dieser Roman eine wirklich amüsante Lektüre für Frauen, denen die Phase der Wechseljahre noch bevorstehen oder die sie glimpflich überstanden haben. Wobei es ja auch Wechseljahre bei Männer gibt, die diese vorsorglich ignorieren, wie so vieles, worüber Männer einfach mal nicht reden wollen.
Erfreut jede Leserin sich daran, was die Frauenärztin von Liv über die entspannte Zeit nach den Wechseljahren mit gut fünf Kilo Gewicht mehr in der Körpermitte, aber ohne von Hormonen gelenkte Unzurechnungsfähigkeit, berichtet, so bleibt doch Liv in der Phase der Hitzewallungen nichts erspart.

Männliche Leichen aus dem Drogenmilieu säumen zwar Livs Weg, aber sie bietet Iza ein neues Leben und verändert ihr eigenes auf ganz neue Weise.
Cosy crime vom Feinsten!