Gillian McAllister: Going back – Wo fing das Böse an?, Aus dem Englischen von Maria Hochsieder, Piper Verlag, München 2023, 432 Seiten, €17,00, 978-3-492-06416-3
„Es ist nicht einfach, sich an ein rückwärts gelebtes Leben zu gewöhnen. Selbst in den Augenblicken, in denen sie denkt, sie verstehe es, gerät sie ins Straucheln.“
Autoren lassen sich immer wieder von Zeitreisen faszinieren und natürlich ist das Gedankenexperiment verlockend, einen Menschen in die Vergangenheit zu schicken, um etwas in seinem Leben zu korrigieren. Die englische Autorin Gillian McAllister versucht, ihre Idee eines Rückgangs von zwanzig Jahren sogar mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu untermauern.
Doch was ist ihrer Hauptfigur, der Anwältin Jen, geschehen? Eines Nachts wartet sie in ihrem Haus mit dem herrlichen Panoramafenster auf ihren achtzehnjährigen Sohn Todd. Noch ist alles in wunderbarer Ordnung. Er hat eine Freundin namens Clio, die Schule geht dem Ende entgegen, sie haben in ihrer Kleinfamilie alle ein gutes Verhältnis. Doch dann sieht sie gegen Mitternacht ihren Sohn auf das Haus zugehen. Ein Mann folgt ihm. Plötzlich tötet Todd den Fremden mit einem Messer.
Jen und ihr Mann Kelly stürzen in die Nacht, und versuchen dem Mann zu helfen. Schnell ist die Polizei vor Ort und Todd wird in Gewahrsam genommen. Er redet nicht.
Völlig gelähmt von diesem Erlebnis wacht Jen am nächsten Morgen auf und es ist der Tag vor der Tat. Jen will verstehen, was ihren Sohn dazu gebracht hat, mittlerweile kennt man den Namen, Joseph Jones, anzugreifen. Jon wird nun an jedem Tag in der Vergangenheit aufwachen und sie wird nicht Tag für Tag rückwärts gehen, sondern Monate und Jahre. Alles was sie an Wichtigem an einem Tag erfahren hat, ist am nächsten verloren. Für sie hat nichts Bestand, allerdings beginnt sie Zusammenhänge herzustellen, die sie nie vermutet hätte. Sie erkennt, dass ihr geliebter Ehemann Kelly mit dem trockenen Humor, angeblich Maler und Stuckateur, nicht der ist, für den sie ihn gehalten hat. Auch die Lesenden benötigen eine Weile, um zwischen dem jungen, engagierten Polizisten Ryan und Kelly eine Verbindung herzustellen.
Ist Kelly nun ein Krimineller oder welche Position nimmt er wirklich neben Joseph Jones, der zwanzig Jahre im Gefängnis war und den er durchaus kennt, ein. Warum will Kelly, dass sich Todd von Clio, der Nichte Ezras, der mit Jones zusammenarbeitet, trennt? Auf dem Weg in die Vergangenheit macht sich Jen auch viele Vorwürfe, denn sie glaubt zeitweilig, dass sie einfach keine gute Mutter war, da sie nach der Geburt ihres Sohnes früh wieder gearbeitet hat. Ihr Wissen um die Vergänglichkeit verleitet sie dazu, an viele Grenzen zu gehen. Sie verfolgt ihren Sohn permanent, versucht Clio kennenzulernen und beschattet auch an den Abenden ihren Ehemann. Sie weiß nach kürzester Zeit, dass sich alles um illegalen Autohandel, Drogengeschäfte und sogar eine Entführung eines Babys geht. Jen fragt sich natürlich auch, ob ihr normales Leben in der Gegenwart weitergeht.
Was wirklich hinter Todds Tat steckt, wird Jen erst am Ende ihrer Zeitreise erkennen und es wird ein Schock sein.
Gut konstruierter Plot, der immer wieder neue Wendungen nimmt, die die Lesenden verunsichern und in Spannung versetzen.