Fabio Lanz: Das Fallbeil, Sarah Contis zweiter Fall, Kein & Aber AG, Zürich 2023, 366 Seiten, €24,00, 978-3-0369-5879-8
„ Wer Sophie geköpft hatte, war ein Profi. Ein Mann aus Stahl mit Nervenkraft. Sie würde recherchieren, dachte Sarah. Sie würde politisch werden. Den einen oder anderen Stein umdrehen, Fäden ziehen und Leute kontaktieren.“
Ein Krimi steht und fällt bekanntlich oft mit seinem Ermittler oder seiner Ermittlerin. Dr. Sarah Conti ist keine Polizistin, die am Abend gestresst an der Frittenbude steht. Sie deckt sich entspannt im Feinkostladen mit edlen Weinen ein, spaziert zu ihrer geräumigen 4-Zimmer-Wohnung mit Blick auf den Zürichsee, schlüpft erst mal in einen flauschigen Kaschmirpullover und legt eine CD auf oder setzt sich ans Klavier. Die Toten haben Zeit und sie auch. Liegt es an der schönen Schweiz, an Zürich oder eher an der Idee, dass eine Polizistin um die vierzig einfach auch mal feinsinnig, kulturinteressiert und alleinstehend mit festem Freund erfolgreich ermitteln kann? Sicher. Dazu ist Sarah Conti auch noch eine Frau des Wortes. Sie führt akribisch für jeden Fall ein Tagebuch. Und natürlich wird Sarah Conti in angesagte Ausstellungen eingeladen, und weiß sich zu benehmen. Andere habe da so ihre Schwierigkeiten. Der neueste Treffpunkt der Kunstszene ist jedenfalls eine Schau mit Objekten von Künstlern aus Nordkorea, die ihr Land wohlweislich verlassen haben. Die edel gebaute Guillotine mit Fallbeil aus japanischem Stahl ist ein Anziehungspunkt, zumal der von Folter und Tod besessene Künstler Selbstmord begangen hat. Als dann jedoch die nicht unbedingt beliebte Journalistin Sophie Kalt in der Nacht mit der Guillotine vom Leben zum Tod befördert wird, endet die Kunst. Die Polizisten finden im Korb nicht nur den Kopf der Frau, sondern auch einen Kohlkopf. Wer denkt da nicht an Hegel? Man ist eben gebildet. Alle Gespräche mit Kuratoren, aber auch der Museumsdirektorin des Züricher Kunsthauses und einer exaltierten Mäzenin führen zu keinem überzeugenden Motiv. War der Mord politisch motiviert? Ging dem Ganzen ein Rollenspiel voraus, ein Happening, währenddessen plötzlich Sophie Kalt unter dem Fallbeil landete? Ein Spaß, der wirklich ernst wurde? Wurde sie sediert und dann getötet? Der Mord als Kunstwerk?
Nach und nach setzen die Ermittler um Conti ein Bild von dem Menschen Sophie Kalt zusammen.
Auch wenn sie verheiratet war, hat sie doch ein sexuell ausschweifendes Leben geführt und war keineswegs rücksichtsvoll, wenn sie bestimmte Ausstellungen kritisch besprechen konnte. Doch wer tötet eine Journalistin wegen eines kritischen Artikels? Sarah Conti ahnt, dass mehr hinter diesem so grausigen Mord stecken muss.
Immerhin finden die Ermittler durch die Kameras im Kunstmuseum heraus, dass jemand die Toilette über einen bestimmten Zeitraum mit einem offiziellen Schild blockiert hat. Und weitere Informationen über das Machtgefälle in der Kunstszene mit allen Akteuren bringen Sarah Conti auf die richtige Spur.
Ein barbarisches Mordinstrument und eine Gesellschaft, die sich für belesen, kulturell interessiert und vor allem elitär hält, dieser Gegensatz baut die Spannung in Fabio Lanz‘ neuem, literarisch durchaus überzeugenden Roman auf.
Hinter dem Namen Fabio Lanz verbirgt sich übrigens der ehemalige Feuilletonchef der NZZ, Martin Meyer.