Kathryn Croft: Als Grace verschwand, Aus dem Englischen von Eva Rieckert, Aufbau Verlag, Berlin 2019, 359 Seiten, €14,99, 978-3-352-00930-3
„ Ich stelle mir das blaue Häschen vor, das noch in meiner Tasche ist, aber ich kann mir immer noch nicht erklären, wie es bei Grace gelandet ist. Das geht mir die ganze Nacht durch den Kopf, während ich neben meinem friedlichen Mann liege, dem ich all das vorenthalten habe.“
Simone und Matt Porter erleben das, was einem Albtraum gleich man niemandem je wünscht. Als sie sehr früh Eltern werden, entführt ein Unbekannter ihre sechs Monate alte Tochter Helena. Es gibt keine Lösegeldforderung, eine ohnmächtige Polizei und einen Privatdetektiv, der nichts herausfindet. Nach gut achtzehn Jahren, Simone und Matt haben keine weiteren Kinder bekommen, steht ein Mädchen namens Grace Rhodes vor der Tür, zeigt Simone das kleine Kuscheltier von Helena, von dem nie etwas in der Presse veröffentlicht wurde und behauptet, sie sei die verschwundene Tochter. Ein Freund ihres Onkels hätte es verraten, allerdings habe sie diesen Mann namens Lucas mit einer Lampe erschlagen. Grace ist sofort mit einem DNA-Test einverstanden und Matt als Arzt kümmert sich um die Probe.
Als dann Grace plötzlich verschwindet und Simone, die als Journalistin arbeitet, gemeinsam mit ihrem Kollegen Abbott mit ihren Recherchen beginnt, kommt die Geschichte absolut spannend ins Rollen. Simone versucht sich immer zu sagen, dass Grace nicht ihre Tochter ist und doch bleibt immer dieses Fünkchen Hoffnung. Simone sucht die Mutter von Grace, Ginny, auf, die sie natürlich für die Entführerin hält. Sie trifft eine herzensgute Frau an. Simone zweifelt immer mehr daran, dass Grace die Wahrheit gesagt hat. Aber warum sollte sie Lügen erfinden? Geht es um Geld?
Parallel zu diesem Fall wurde Charlotte entführt, allerdings ist dieses Mädchen fast erwachsen. Doch sie schweigt und lässt kein Wort verlauten, was mit ihr geschehen ist.
Simone überschreitet alle Grenzen des Legalen. Auch wenn Graces genetisches Material verunreinigt ist, kann sie von dem Fall nicht mehr die Finger lassen. Sie ahnt, dass Charlotte mehr weiß als alle anderen. Doch, wo ist Lucas, wo ist Grace und was hat das alles mit der damaligen Entführung zu tun? Gibt es überhaupt Parallelen?
Immer mehr verstrickt sich Simone in dieser Geschichte, ohne ihren Mann Matt einzubeziehen.
Viele Autorinnen sind von der Idee, dass Kinder im frühen Alter verschwinden und als Erwachsene zurückkehren, fasziniert. Immer bleibt die Frage offen, kann jemand die Identität eines anderen annehmen oder ist die Person, die da plötzlich vor einem steht, wirklich das einst entschwundene Kind. Kann eine Mutter trotz vieler Jahre, die vergangen sind, das eigene Kind wiedererkennen? Was steckt hinter diesen Entführungen, worin liegt die Motivation, wenn es keine Geldforderung gegeben hat?
Diese Fragen beschäftigen auch den Leser und er wird in Abgründe blicken, in Abgründe von gut situierten, beruflich erfolgreichen Männern, die sich einst kennenlernten und dann schicksalhaft verbunden waren – bis zum allerschlimmsten Moment ihres Lebens.
Braucht man eine ganze Weile, um in den Handlungsverlauf dieses Thrillers mit seinem reichen Personal einzutauchen, so kann man ihn, trotz einiger Zweifel an der Logik der Geschichte, ab der Mitte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.