Gytha Lodge: Wer auf dich wartet, Aus dem Englischen von Kristian Lutze, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2020, 366 Seiten, €16,90, 978-3-455-00998-9

„Zoe starrte auf ihre Hände, bewegte einen Finger nach dem anderen, und war tief zerrissen zwischen Mitleid und Versöhnlichkeit. Ihn in Tränen aufgelöst zu sehen war furchtbar. Er wurde normalerweise nie emotional, versteckte sich lieber hinter seinem Sarkasmus. Aber er hatte ihr erklärt, dass sie der einzige Mensch sei, in dessen Gegenwart er sich verletzlich zeigen könne.“

Der vierzigjährige Aidan Poole, charmanter Dozent für Wirtschaftswissenschaften, hat sich in die sechsundzwanzigjährige Kunststudentin Zoe Swardadine verliebt. Es ist der Klassiker. Natürlich will Zoe mit ihrem Liebsten zusammenleben. Warum das ein Problem werden könnte, hatte Aidan ihr nicht erzählt. Allerdings muss er irgendwann zugeben, dass er mit Greta, einer gestandenen Journalistin, seit Jahren verheiratet ist, natürlich unglücklich verheiratet ist.
Aidan Poole schafft es immer, sich ins rechte Licht zu rücken. Zwar ist Zoe nicht naiv, aber sie hat ein Helfersyndrom und da muss er nur ansetzen. Natürlich redet Aidan nie schlecht von seiner Frau. Sie hat mit ihm die kranke Mutter gepflegt und nun will er Greta mit einer vorzeitigen Scheidung nicht um das Erbe bringen, das ihr zusteht. Im Laufe der Handlung stellt sich allerdings heraus, dass Aidan gar nicht die Absicht hat, sich von der attraktiven Greta zu trennen. Er hat eine fantastisches Haus, eine vorzeigbare, intelligente Frau und eine willige Geliebte.
Als diese dann aber ermordet wird, beginnt Aidans Lügenhaus zu wackeln.

Zeitversetzt, mal in den Rückblicken von zwanzig Monaten bis heute und den langwierigen Ermittlungsarbeiten in der Gegenwart, erzählt die britische Schriftstellerin von der Off- und On- Beziehung zwischen Aidan und Zoe. Als Zoe von ihrem ziemlich aggressiven Verehrer Viktor, Facebook sei Dank, zugetragen wird, dass Aidan mit seiner Frau sogar im Urlaub war, beendet Zoe erneut das Verhältnis. Sie fühlt sich, nachdem sie Greta im Netz hinterherspioniert hat, der Journalistin nicht gewachsen. Zoe verändert sich, verliert immer mehr an Gewicht und hat kein Interesse mehr daran, ihrer magersüchtigen Freundin Angeline zu helfen. Sie zieht bei ihrer anderen Freundin Maeve, die ebenfalls eine Auge auf Aidan geworfen hat, aus. Zoe ahnt nicht, dass Aidan sie über die Webcam des Computers beobachtet. So ist er auch fast Augenzeuge des Mordes an Zoe. Er kann den Kampf im Badezimmer hören, aber den Mörder nicht sehen. Der anonyme Anruf bei der Polizei kommt ihm teuer zu stehen.

Der Kreis der Verdächtigen ist ziemlich klein und Detektive Chief Inspector Jonah Sheens und sein Team umkreisen immer wieder die gleichen Personen.
Mag der Ausgangspunkt der Geschichte interessant sein, die Handlung, die sich besonders mit der routinierten Polizeiarbeit befasst, schleppt sich so dahin. War es der neue Wohnungsvermieter, der mit Polizeimethoden vertraut ist, da selbst einst Polizist oder gar die Freundinnen, denen Zoe die Aufmerksamkeit entzogen hatte? Wie tragisch eigentlich, dass sich kluge Frauen immer in den gleichen manipulativen Mann verlieben und dieser auch noch davonkommt.

Gytha Lodges insgesamt einfaches, leicht zugängliches Erzählen führt den Leser immer wieder auf falsche Spuren, dabei liegt die Lösung des Falls auf der Hand, denkt man an eines der ältesten Motive für einen Mord.