Marco Balzano: Wenn ich wiederkomme, Aus dem Italienischen von Peter Klöss, Diogenes Verlag, Zürich 2021, 311 Seiten, €22,00, 978-3-257-07170-2
„Dinge und Geld, Geld und Dinge: Das hast du von mir gewollt. Und um dem eine Ende zu setzen, kam ich, obwohl es Weihnachten war, diesmal mit leeren Händen.
‚Ich bin kein Geldautomat, ich bin deine Mutter!‘, schrie ich dich an, ehe ich den Bus bestieg, der mich nach Mailand zurückbrachte.“
Die Familie Matei wohnt in einem kleinen, rumänischen Ort an der Grenze zu Moldawien. Die gesellschaftlichen Veränderungen in Rumänien haben ihnen wenig gebracht. Die Eltern haben keine Arbeit mehr und ab und zu beschwört der Vater die Ceaușescu – Zeit herauf, in der vielleicht doch alles besser war. Immer wieder verspricht er der Mutter, sich Arbeit zu suchen, aber eigentlich tut er sich nur leid und trinkt. Daniela Matei, die die Kinder liebevoll Moma nennen, entschließt sich, nach Mailand zu gehen, um dort in der Altenpflege zu arbeiten. Eine Freundin organisiert für sie eine illegale Stelle. Erst von Italien aus informiert Daniela die Familie.
Marco Balzano erzählt von den Mateis aus drei Perspektiven. Im ersten Teil kommt der fünfzehnjährige Sohn Manuel zu Wort, im zweiten Daniela und im dritten Teil berichtet Angelica, die mit ihrem Studium begonnen hat.
Damit die Kinder ein Zukunft haben, studieren können und anders leben als die Eltern, erniedrigt sich Daniela beim dementen Giovanni. Alles Geld, was sie verdient, schickt sie nach Hause.
Als Danielas Mann dann ebenfalls die Familie verlässt, um als Lastkraftwagenfahrer in Polen und später in Russland zu arbeiten, sind die Geschwister allein auf sie gestellt.
Für Manuel, um den sich die Großeltern kümmern, wird das Leben immer schwerer. Er geht auf ein internationales Gymnasium, dessen Schulgeld die Mutter in der großen Hoffnung bezahlt, dass der Junge fleißig lernt. Doch Manuel ist wie sein Freund Petru Popa ein Außenseiter, einer der es einfach nicht schafft. Er nimmt Drogen, trinkt Alkohol, verliebt sich in ein Mädchen. Er versucht, sich bei seiner Schwester im Studentenwohnheim einzuquartieren. Auch Petrus Mutter arbeitet als Hilfskraft in Barcelona. Manuel liebt und hasst seine Mutter gleichzeitig. Tragisch wird es als Manuels geliebter Großvater Mihai stirbt. Manuel braucht die Nähe der Mutter und kann sie doch am Telefon nicht enttäuschen. Sein tiefer innerer Konflikt führt dazu, dass Manuel mit dem getunten Moped seines Freundes einen schweren Unfall baut.
Als Daniela in Mailand endlich eine Arbeit findet, bei der sie legal beschäftigt wird, geht es ihr auch nicht besser als bei dem alten dementen Mann. Sie ist nun als Kindermädchen rund um die Uhr bei einer Familie angestellt. Die Eltern der beiden Kinder sind Anwälte und die Mutter der Kinder nimmt sich keine Zeit, um die vierjährige Olivia oder den äußerst schwierigen, zehnjährigen Gianluca wenigstens ins Bett zu bringen. Danielas Beziehung zu den Kindern wird immer enger. Als dann jedoch bei einem Urlaub in Ligurien ein Unglück geschieht, wird Daniela vor die Tür gejagt.
Zeitversetzt erzählt Daniela von ihrer Zeit in Mailand und ihrer Zeit zu Hause bei ihrem Sohn, der nun im Koma liegt. Filip, Danielas Mann, lässt sich nur kurz sehen. Das Ehepaar hat sich auseinandergelebt.
Angelica will heiraten und die Familie und Rumänien Richtung Deutschland verlassen.
Am Ende erkennt Daniela, dass sie kaum Geld ansparen konnte. Alles musste für die Schule und die Lebenskosten ausgegeben werden. Als Daniela mit der sogenannten „Italienkrankheit“ in die Heimat zurückkehrt war, musste sie einsehen, dass sie sich völlig verausgabt hatte. Wir würden es Born out nennen.
Marco Balzano schreibt lebensecht voller Sympathie für seine literarischen Figuren. Jeglicher Rechte beraubt muss Daniela für Menschen arbeiten, die sie als die Osteuropäerin ansehen, die eben noch arbeiten kann. Dabei hat Daniela ein Zeichentalent und ist wie ihre Freundin durchaus gebildet. Feinfühlig berichtet der italienische Autor aus der Sicht des Sohnes Manuel, von der Einsamkeit und dem Leistungsdruck, dem er nicht standhalten konnte. Nur Worte und Hoffnungen können eine Familie nicht zusammenhalten.
Während der Lektüre fragt man sich aber auch, was ist in den italienischen Familien los, die sich weder um ihre Alten noch die Kinder kümmern.
Ein bewegendes literarisches Zeugnis über gesellschaftliche Zustände im doch so wohlhabenden Europa.