Elizabeth George: Was im Verborgenen ruht, Ein Inspector – Linley – Roman, Ins Deutsche übertragen von Charlotte Breuer, Goldmann Verlag, München 2022, 797 Seiten, €26,00, 978-3-442-31620-5
„In ihrer Kultur gehörte das einfach zum Leben einer Frau. Eine Beschneidung war ein Reinigungsritual. Und eine Frau, die rein war, konnte verheiratet werden. Daran konnte Monifa genauso wenig etwas ändern wie an der Abfolge der Jahreszeiten.“
Ist die Genitalverstümmelung ein mit Scham und absolutem Unverständnis besetztes Thema, so sind es gerade die Frauen, auch in diesem Thriller, die gnadenlos diese Tradition in den Familien durchsetzen und zu Täterinnen werden. Davon erzählt dieser Roman von Elizabeth George, filigran in den Charakterstudien und verzweifelt angesichts der Grausamkeit in der Welt.
Der barbarische, grausigen Akt der Beschneidung, für den in den nigerianischen Familien die Frauen zuständig sind, ist in Großbritannien, aber auch Nigeria verboten. Doch Monifas unerträglicher Ehemann und Tyrann Abeo Bankole interessiert das kaum. Er wohnt zwar seit Jahren in London, lebt aber mit seiner Familie und seinem Herrschaftsanspruch über alle Familienmitglieder wie in einem nigerianischen Dorf. Damit er seine achtjährige Tochter als Braut schon mal möglichen zahlungskräftigen Freiern anbieten kann, soll sie mit Hilfe seiner Frau beschnitten werden. Als der achtzehnjährige Sohn von Abeo,Tanimolo, verstanden hat, was die Familie plant, auch die Mütter und Schwiegermütter bestärken Monifa aus der Ferne zu diesem unverzeihlichen Akt, versucht er seine Schwester zu schützen. Um seinen Vater in Bedrängnis zu bringen, beschattet er ihn und es kommt heraus, dass er ein Doppelleben mit Zweitfamilie und Kindern führt. Doch Monifa akzeptiert deren Existenz und wäscht für alle die Wäsche, auch die blutigen Schürzen ihres Mannes, der auch noch Metzger ist.
Um Mädchen vor ihren Familien und grausigen Verstümmelungen zu bewahren, wurde das Orchid House eingerichtet. Hier können gefährdete Mädchen für eine Weile untertauchen. Für die Polizistin Teo Bontempi wurde die weibliche Genitalverstümmelung ein Langzeitprojekt, denn sie selbst wurde als dreijähriges Mädchen in Nigeria beschnitten, bevor sie nach England gemeinsam mit ihrer Schwester adoptiert wurde. Als ehrenamtliche Mitarbeiterin war Teo Bontempi mit ihrem ursprünglichen Namen tätig, ohne sich als Polizistin zu erkennen zu geben. Nun wurde sie ohnmächtig in ihrer Wohnung aufgefunden und verstarb im Krankenhaus. Die Obduktion ergab, dass die Verletzung am Kopf zum Tode führte. Mord.
Elizabeth George erzählt in ihrem voluminösen Krimi zum einen vom Leben der Familie Bankole, aber auch vom Mord an der schwarzen Polizistin, dessen Ermittlungen Inspector Linley, Barbara Havers und der schwarze Winston Nkata gemeinsam aufnehmen. Und dann ist da noch der verheiratete Detective Chief Superintendent Mark Phinney, der ein Verhältnis mit Teo hatte und sie in ihrer Wohnung fand. Mark Phinney hat seine Energien als Polizist verloren, denn seine Frau kümmert sich nur noch um die schwerkranke Tochter und für die Familie dreht sich alles um das behinderte Kind mit seinen Atemproblemen.
Erzählt wird außerdem von einem vermissten Mädchen, ebenfalls mit nigerianischem Hintergrund und der Fotografin Deborah St. James, die beim Dreh eines Films im Orchid House Fotos für ein Buch besteuern soll. Für diesen Film erzählte auch Teo als Mitarbeiterin von ihren Erinnerungen an die Beschneidung.
Ein weiterer Erzählstrang beschäftigt sich mit der Möglichkeit der rekonstruktiven Chirurgie. Für ihr Buch versucht Deborah St. James, mit der ziemlich verängstigten Ärztin, Dr.Weatherall, ins Gespräch zu kommen. Wie immer stürmt die burschikose Ermittlerin Havers voran, der groß gewachsene Nkata bleibt eher im Hintergrund und Inspector Linley hat so einige private Probleme zu klären.