Kristina Ohlsson: Sündengräber, Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann, Limes Verlag, München 2019, 477 Seiten, €20,00, 978-3-8090-2697-6
„Fredrika spürte, wie das Adrenalin durch ihre Adern rauschte. Ihr erster Gedanke: Ein Rächer.
Sie hatten es mit einem Rächer zu tun. Der seine Opfer auf ein und dieselbe Weise sterben ließ wie andere Menschen, mit denen sie eine Schuld verband. Ein Täter, der Bücher und Briefe hinterließ, um den Ermittlern eine Botschaft zu hinterlassen.“
Alle Beteiligten in dieser erfundenen Geschichte von Kristina Ohlsson, ob Ermittler, aus der Bahn geworfene ehemalige und aktive Polizisten oder Mordopfer tragen schwere Schuld mit sich oder mussten innerhalb der Familie große Verluste beklagen. Kriminalkommissar Alex Recht erinnert sich immer wieder an den Tod seiner ersten Frau und Kriminalkommissarin Fredrika Bergman wird ihren geliebten und unheilbar kranken Mann Spencer Lagergren, der seinem Leben in der Schweiz ein Ende setzen wird, verlieren. Aber auch Spencer hat sich schuldig gemacht, als er vor Jahren eine junge Frau angefahren und sich seiner Verantwortung entzogen hatte. Ein Brief, den er hinterlassen wollte, erklärt Fredrika alles. Allerdings wird sie ihn durch die Ermittlungen früher zu Gesicht bekommen und ihren Mann, wenn auch nur kurzzeitig, verdächtigen.
Kristina Ohlsson erzählt den letzten Fall der beiden schwedischen Ermittler aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Nur langsam kann der Leser die unterschiedlichen Puzzleteile zusammensetzen, denn parallel nehmen unterschiedliche Verbrechen, wie Entführung und symbolisch aufgeladene Mord ihren Lauf.
Fredrika hat Alex nichts von ihrem privaten Drama erzählt, aber er spürt, dass sie sehr bedrückt ist.
Beider Unzufriedenheit über diesen Zustand wird noch durch die Umstrukturierung der Abteilung verschlechtert, denn nun müssen sich beide mit ihrer neuen wie verhassten Chefin Margareta Berlin auseinandersetzen. Außerdem gehört auch Kriminalkommissar Torbjörn Ross zum Team und diesen nicht gerade feinfülligen Kollegen mag niemand.
Der erste Tote ist Malcolm Benke, er wird in einem Sessel vor dem Kamin erschossen aufgefunden. Am Finger trägt er den Ehering seiner ebenfalls auf die gleiche Weise in London erschossenen Tochter. Ein Foto liegt in unmittelbarer Nähe und bringt die Polizei auf die Londoner Spur. Doch warum hat der Mörder diesen Ring und offensichtlich auch das Foto für die Polizei platziert? Außerdem erhält Alex einen anonym zugesandten Brief, in dem steht, dass der Mörder alles wieder gut machen will. Der Roman von Morgan Sander, einst als Buch im Selbstverlag und in geringer Auflage erschienen, mit dem Titel „Ich mache alles wieder gut“ wird in der Nähe der nächsten Opfer von der Polizei gefunden. Wer will Alex auf die Sprünge helfen, ihn aber auch demütigen? Jemand scheint sich zu rächen, jemand, der Einblick in die Polizeiarbeit hat und selbst etwas unglaublich Schreckliches erlebt haben muss.
Und dann ist da noch der Bestatter Noah Johansson. Er vermisst seinen Bruder Dan und dessen Familie, die angeblich nach Australien ausgereist ist. Allerdings hat sie das Haus in völliger Unordnung verlassen und die E-Mails, die Noah erhält, passen in der Wortwahl nicht zu Dan, der als Psychologe tätig war. Die Polizei nimmt Noahs Ängste nicht ernst.
Weitere Verbrechen geschehen und schnell wird klar, auch diese Morde spiegeln einstige Taten, die mit den Opfern in Verbindung stehen. Jemand will sich rächen und der Polizei zeigen, dass er die Schuldigen richtet, da diese nicht in der Lage dazu ist.
Keine einfache Lektüre mutet Kristina Ohlsson in ihrem absolut spannend erzählten Thriller dem Leser zu, denn die durchgängig traurigen Lebensgeschichten, ob es nun ermordete Kinder, Gewalt in der Ehe, ungeklärte Unfälle mit Todesfolgen oder gar um die Auslöschung einer ganzen Familie geht, bedrücken doch im Laufe der Handlung. Kann es sein, dass Spencer hinter den Morden steht? Er, der sich doch als Literaturwissenschaftler bestens auskennt? Oder hat vielleicht Ross, der von den anderen eventuell unterschätzt wird, diese Morde begangen?
Keine der Hauptfiguren hat ein unbeschwertes Privatleben und diese Traurigkeit zieht sich durch den Roman wie ein Abschied von Kriminalkommissar Alex Recht und Fredrika Bergman. Im Nachwort bestätigt Kristina Ohlsson diesen Eindruck.
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