Stefan Bachmann: Die letzten Hexen von Blackbird Castle, Aus dem amerikanischen Englisch von Stefanie Schäfer, Diogenes Verlag, Zürich 2023, 280 Seiten, €18,00, 978-3-257-01310-8
„Wenn die Toten wirklich so schlimm waren, wie ich allmählich den Eindruck hatte, und wenn einer von ihnen erst vor Kurzem meine Familie auf ewig versteinert hatte, dann sollten sich diese ganzen Frührenten-Hexen echt große Sorgen machen.“
Seit die „Harry Potter“ – Romane von J.K.Rowling so erfolgreich erschienen und heute bereits moderne Klassiker sind, ist es schwer für Autoren sich eine fantasievolle, wirklich originäre Handlung über die Welt der Hexen auszudenken, ohne Angst vor Vergleichen mit dem Werk der englischen Schriftstellerin. Sicher hat auch Frau Rowling aus der Fülle der literarischen Fantasy- und Märchenliteratur geschöpft und auch Philip Pullman hat in einem Interview einst gesagt, dass er durchaus auch bei anderen Schriftstellern Ideen abkupfert. Die Frage ist dann nur, wie einfallsreich man mit dem Material umgeht. Stefan Bachmann spielt mit allen Schauerelementen, die zu einem spannenden, wie temporeichen Hexenroman gehören. Zum Glück bläht er seine Ideen nicht zu einem Mehrteiler auf, sondern erzählt seine Geschichte um die ziemlich taffe Zita auf 280 Seiten.
Das zwölfjährige Mädchen ist ein Waisenkind, das als Dienstmagd schuften muss. Doch dann flattert eines Tages ein Brief von einem Anwalt ins Haus. Dieser fordert Zita auf, nach Blackbird Castle zu kommen, denn sie ist angeblich die letzte Überlebende einer Hexenfamilie, von denen es kaum noch welche auf dem Kontinent gibt. Blackbird Castle war einst der Sitz der Brydgeborns, die nun durch einen Fluch nicht mehr am Leben sind. In grausigen Kokons gefangen, kann Zita sich ihre Familienmitglieder ansehen. Im gesamten Anwesen herrscht schwarze Magie und so tummeln sich Geister in fast allen Räumen, einige sind darunter, in deren Zähnen es sich Käfer und Würmer bequem gemacht haben. Die Aufgabe der Hexen, natürlich ohne Besen und Spitzhüte, besteht darin, die gefährlichen Geister, die übelste Kreaturen sind, an der Rückkehr auf die Erde zu hindern. Hexen töten somit bereits Tote. Zita, die erstaunlicherweise über Hexenmagie verfügt, lässt sich jedoch nicht so schnell ängstigen. Sehr selbstbewusst geht sie mit dem Wissen um, dass ihre Kinderfrau sie als Zweijährige an den Schlächter von Beydun verkauft hat, der sich jetzt angeblich in der Unterwelt aufhält und dem Mädchen immer noch nach dem Leben trachtet.
Im mit magischer Energie aufgeladenen Anwesen von Zitas Ahnen lebt angeblich eine Freundin von Zitas Mutter, Mrs. Cantanker, und zwei Bedienstete, eigentlich Kinder, die sich um alles kümmern müssen. Bram kocht für sein Leben gern und Minnifer arbeitet als Dienstmagd. Auch wenn die arrogante und unfreundliche Mrs. Cantanker Zita den Umgang verboten hat, freundet sich das Mädchen mit beiden an. Bram und Minnifer werden Zita auch bei ihrer Erforschung des Anwesens helfen und ihr zeigen, wie sie den Fluch, sie muss wichtige Artefakte sammeln, von ihrer Familie durch einen Erlösungszauber nehmen könnte.
„Nichts ist so, wie es scheint. Das war das Erste, was ich über Hexenhäuser lernte. Vergoldete Spiegel boten Zugang zu Fluren, die so lang waren wie ein Zug und vor Gaslampen funkelten. Wände falteten sich zusammen, wenn man an einem Messinggriff zog, wodurch sich ein respektabler Salon in eine Zaubertrankküche verwandelte.“
Bei der ungeduldigen Mrs. Cantanker muss Zita aber erst in die Lehre gehen. Voller Misstrauen beobachtet das Mädchen ihre unfähige Lehrmeisterin und erkennt, dass sie versucht, hochrangige Tote, auch die Dunkle Königin aus dem Totenreich zu holen. Und dann sind da noch diese Triggels, klein wie Schimmelpilze, die ständig irgendwelche wichtigen Dinge klauen, auch ein Medaillon, dass endlich Wärme in Zitas Herz zaubert und ihr alle Familienmitglieder zeigt, die ACHTUNG Spoiler, gar nicht tot sind.
Doch dann entdeckt Zita ein Bild und ihr wird schlagartig klar, dass alles, was sie bisher geglaubt hat, eine Lüge ist. Und sie vermutet auch, dass ihre Freunde Bram und Minnifer sie in die Irre geführt haben. Doch was ist nun wahr und wer ist in diesem Hexenhaus wirklich verzaubert?
Wieder steht ein einsames Kind, dass sich nach seinen Eltern sehnt, im Mittelpunkt. Doch Zita hat ihren ganz eigenen Kopf, was wohl am harten Leben im Waisenhaus bei den fiesen Nonnen liegt.
Als mutiges Mädchen, dass als tierischen Dienstboten eine starke Krähe namens Vikka hat, traut sie sich auch in die entlegensten Räume auf Blackbird Castle und sie wird hinter alle gefährlichen Geheimnisse gelangen. Auch wenn Stefan Bachmann hier und da Ideen von anderen Autoren mopst, liest sich seine atmosphärisch herrliche Hexengeschichte um das Waisenkind Zita auf der schaurig düsteren Burg Blackbird Castle mit all ihren unerwarteten Wendungen und gruseligen Zauberdingen absolut spannend und unterhaltsam.