Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2023, 192 Seiten, €22,00, 978-3-423-28333-5

„Ich habe einen Wimpernschlag gebraucht, mich in dich zu verlieben, und dreißig Jahre, um Gründe dagegen zu sammeln.“

Julia Schoch setzt ihre Trilogie „Biographie einer Frau“ mit dem Roman „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ fort.

Die namenlose Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin, will sich trennen, dass steht von Anfang an unmissverständlich fest. Doch was bewegt sie nach vielen Jahren zu diesem Entschluss? Immerhin ist sie einunddreißig Jahre mit ihrem Mann, den sie auch permanent mit „du“ anspricht, zusammen. Sie haben zwei Kinder, viel gemeinsam erlebt und die Liste der positiven Eigenschaften des Ehemanns ist nicht gerade kurz. Muss wirklich wieder Erich Kästners Gedicht für Erklärungen herhalten. Man habe sich auseinandergelebt. Langsam, detailliert und mal mehr, mal weniger emotional beginnt Julia Schoch, von ihrer großen Liebe autofiktional und fiktional zu berichten. Vor ein paar Jahren ist die Mauer gefallen. Da beide aus der DDR stammen, muss man sich nicht erklären. Die Revolution im Osten gibt den Generationen Schwung und doch kann die Ich-Erzählerin nichts von den eigenen Eltern lernen. Sie reist, sie studiert im Ausland, in Frankreich und in Osteuropa, wo auch alles im Umschwung ist. Sie versucht, sie selbst zu sein und sieht doch vieles mit seinen Augen. Irgendwann ziehen beide in die erste Wohnung. Man schließt einen Liebespakt und gibt sich doch Freiräume, deren Überschreitungen doch auch wehtun. Diese werden dann immer größer, so wie auch die Betten breiter werden und damit auch der Abstand voneinander. Das ist die Stärke der Erzählerin, sie muss nie zu langatmigen Erklärungen ausholen. Sie kann in aussagekräftigen Sätzen, die man sich alle beim Lesen anstreichen möchte, schnell ein Gefühl, eine Erfahrung, eine ganze vorstellbare Szene vor dem inneren Auge entstehen lassen. Wie verändert man sich in einer Beziehung? Was gibt man auf, was toleriert man, was kann man im Laufe der Zeit nicht mehr ertragen? Vieles mag sich in einunddreißig Jahren ändern und doch funktioniert man, insbesondere, wenn Kinder kommen, doch als Paar. Sie hasst die zu leistenden Hausarbeit, sie übernimmt den Großteil der Verantwortung für die beiden Kinder, wie in so vielen Familien. Doch wann stellt sich der Moment ein, wo sie sich sicher ist, dass sie mit ihm nicht mehr leben möchte? Holt man sich nicht mehr vom Flughafen ab? Hört man einander einfach nicht mehr zu? Verteilt der eine oder die andere süffisante Spitzen, immer dann wenn Freunde eingeladen sind? Viele Freundespaare hatten sich getrennt und darum waren diese zwei trotz aller Differenzen: das Liebespaar des Jahrhunderts.

„In Wirklichkeit konnten wir nicht mal mehr reden, wenn wir nebeneinander im Auto saßen. Ein jeder in seiner bitteren Sehnsüchte vertieft, sahen wir durch die Frontscheibe. Mit einem Mal mochte ich es nicht mehr: ich neben dir auf dem Beifahrersitz.“

Nach der Distanz nähert man sich jedoch wieder an, insbesondere in der Zeit, in der die Kinder durch die Pubertät viel Energie von den Eltern einfordern. Körperlich bleibt eine Abstand, man ist sich nicht mehr nahe, auch wenn die Erzählerin sich vornimmt, den Partner doch wiedermal zu umarmen. Sie kauft dann eher eine Katze, die ihr auch noch davonläuft. Am Ende geht man nur noch freundlich wie gleichgültig miteinander um. Das stimmt traurig, ist aber ehrlich und leider realistisch.

„Ich wusste, dass du der einzige Mensch bist, der mir außer den Kindern ernsthaft etwas bedeutete, aber ich konnte es nicht mehr empfinden.“