Robert Galbraith – Das strömende Grab – Ein Fall für Cormoran Strike, Aus dem Englischen von Wulf Bergner, Christoph Göhler, Kristof Kurz, Blanvalet Verlag, München 2023, 1296 Seiten, €29,90, 978-3-7645-0865-4
„Irgendwie war Mazu immer noch die böse Märchenfee, die Hexe im Lebkuchenhaus, die Herrin über Folterstrafen und Tod, und sie löste in Robin beschämende, primitive Kinderängste aus.“
Erneut legt J.K. Rowling einen Roman vor, ich kann mich nur wiederholen, der gut geeignet ist, eine unliebsame Person zu erschlagen. Um niemanden auf dumme Ideen kommen zu lassen, sollte man den nächsten Fall von Cormoran Strike, der sich im Jahr 2016 ereignet, lieber lesen.
Wieder haben Cormoran Strike und Robin Ellacott mit den Mitarbeitern der Agentur, deren guter Ruf ihnen vorauseilt, genug Baustellen. Eine Ermittlung jedoch zieht sich durch den gesamten Roman und diese befasst sich mit einer dubiosen Kirche, die sich Universal Humanitarian Church nennt. Sir Colin Edensor aus Manchester beklagt, dass die UHC seinen Sohn Will, der leicht autistische Züge hat, in ihre Fänge gezogen hat. So sehr der Vater sich auch bemüht hat, für Will gab und gibt es keinen Weg zur Familie zurückzukehren. Hinzu kommt, dass Will beachtliche Gelder der Kirche gespendet hat. Colin Edensor mutmaßt, dass seinem Sohn eine gehörige Gehirnwäsche verabreicht wurde, die ihm seinen freien Entscheidungswillen genommen hat. Alles Geld für Anwälte oder das Konkurrenzunternehmen von Strike konnte nicht bewirken, dass Will der UHC den Rücken kehrt.
Strike nimmt den Fall an und stößt mit Informationen von Edensor bei seinen Recherchen auf Kevin Pirbright, der nach dem Verlassen der Kirche erschossen wurde. Kevin wollte ursprünglich ein Buch über die Machenschaften der Kirche veröffentlichen. Gibt sich die Kirche nach außen hin als hilfreiche Einrichtung, so verbergen sich hinter ihren Mauern abscheulichste Verbrechen, die jedoch nie ermittelt wurde. Alle die die Kirche verlassen, sind schwerst traumatisiert und reagieren äußerst ablehnend auf Fragen. Einige haben sich nach Depressionen oder den eingebleuten Schuldgefühlen durch die Obersten, Jonathan Wace, den alle Papa J nennen sollen und Mazu Wace, getötet. Auf einem verquasten Religionsmischmasch fußend baut die Sekte von Papa J darauf, dass sie möglichst gut betuchte Idealisten abgreifen und diese dann zu gläubigen Evangelisten erziehen kann. Um nun mit Will Kontakt aufnehmen zu können, muss und will Robin sich undercover in die Sekte einschleichen. Nach ersten Begegnungen im Londoner Tempel der UHC schafft es Robin mit neuer Biografie, natürlich ist sie wohlhabend, auf die Chapman Farm in Norfolk, wo sich auch Will aufhält. Währenddessen versucht Strike, ehemalige Mitglieder der UHC zum Reden zu bringen. Durch Briefe, die Robin aus der Farm schmuggelt, hält sie Kontakt zu Strike, der natürlich in Sorge um seine liebste Mitarbeiterin ist. Robin ist momentan mit DCI Ryan Murphy liiert, was Strike eigentlich gar nicht passt. Aber das ist ein Dauerthema, dass auch in diesem Roman strapaziert wird.
Wie nun die Sektenführer ihre neuen Mitglieder systematisch mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft, insbesondere gegen materialistisches Besitzdenken für das spirituelle Reine und Wahre, konfrontieren und indoktrinieren, liest sich grausig. Die Familie löst sich auf der Farm auf, Frauen und auch minderjährige Mädchen sind den Männern sexuell ausgeliefert, jeglicher Kontakt zu den Familien werden unterbunden, es gibt keinen Kalender, keine Uhren und gearbeitet wird wie im 19. Jahrhundert. Mit harter Arbeit auf der Farm, Essens- und Schlafentzug und drakonischen Strafen werden Mitglieder in Offenbarungssitzungen zu Aussagen gezwungen. Mythen, unter anderen von der Ertrunkenen Prophetin, Psychospielen, sexuelle Gewalt und Körperverletzungen, entmenschlichende Demütigungen, halten die Mitglieder in Angst und bringen sie auch nach Austreten aus der UHC nicht dazu, gegen die Kirche und ihre brutalen Methoden auszusagen. All diesem ist Robin nun ausgeliefert und sie hält sich wacker, kann allerdings kaum mit Will ins Gespräch kommen. Nach und nach jedoch festigt sich ihre Position, auch durch eine großzügige Spende. Will hat in seiner Zeit bei der UHC mit einer Minderjährigen ein Kind gezeugt. Die Unschuld von Kindern ist auch der UHC nicht heilig. Immer tiefer gerät Robin auch mental in die Fänge der abgrundtiefen Demütigungen. Als sie dann jedoch nach vier Monaten einem Mann zugeführt werden soll, kann sie mit Strikes Hilfe fliehen. Nun hat sie nur noch ein Ziel, sie will auch mit den Materialien, die sie sammeln konnte und Zeugen, die hoffentlich sprechen, die UHC vor Gericht bringen, koste es, was es wolle. Aber die Kirche hat einen langen Arm und sie arbeitet mit perfiden Mitteln, denen alle ausgeliefert sind.
Warum die so begabte und fantasiereiche J.K.Rowling sich auf über 1000 Seiten ellenlang über die perfiden Methoden einer Sekte auslässt, die mit gesetzlichen Mitteln nicht zu fassen ist, bleibt beim Lesen ein Rätsel. Vor Robins Einsatz auf der Farm war schon relativ klar, was alles geschehen kann und dann ja auch um Längen brutaler so eintritt. Erklärungen, warum Menschen sich anderen Menschen aufgrund von Geschichten unterwerfen und völlig blind und taub für ihre Umwelt werden, können nicht geliefert werden. Vielleicht ist das von der Literatur auch zu viel verlangt.
Wie immer, 300 Seiten weniger hätten der umfangreichen Handlung mit alle ihren Nebensträngen, u.a. alles über die Halbschwestern, Halbbrüder und dem dementen Onkel von Strike gut getan.
Aber Fans sind sicher zufrieden!