Petros Markaris: Offshore, Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger, Diogenes Verlag, Zürich 2017, 368 Seiten, €24,00, 978-3-257-07003-3
„Die einzige Erklärung, die ich liefern kann, ist: Beide Geständnisse führen dazu, dass die entsprechenden Fälle ad acta gelegt werden. Sie verhindern, dass wir uns mit den eigentlichen Tatmotiven beschäftigen. Somit muss man sich fragen, wer die vier zum Geständnis angestiftet hat, damit die wahren Beweggründe und die Anstifter der Morde im Dunkeln bleiben.“
Es ist Ostern und der Leidensweg der Griechen scheint beendet. Die Leute feiern, denn Geld spült wie magisch ins Land. Die Straßen sind wieder mit Autos verstopft, man geht außer Haus essen und hofft auf Gehaltserhöhungen, spricht sogar von 13. und 14. Lohnauszahlungen. Auffällig ist auch, dass griechische Reeder mit Firmensitz in London oder Zypern nach Hause zurückkehren. Der Sinneswandel der Unternehmen wird mit patriotischen Gefühlen fürs Land erklärt, doch mittlerweile glaubt das in Griechenland kein vernünftig denkender Mensch mehr.
Kostas Charitos von der Mordkommission fragt sich eher, woher kommt dieser Finanzsegen und seine Frau Adriani ist skeptisch wie immer. Aber die Familie will sich die gute Laune nicht verderben lassen, denn Kostas Tochter wird sogar für eine gut bezahlte Stelle als Justitiarin auserwählt. Nicht sonderlich begeistert ist Kostas Charitos, der als Querkopf bekannt ist, aus seiner Sicht wird übrigens auch das Geschehen erzählt, von der Neuernennung des Vizepolizeipräsidenten, ein praktisch unerfahrener Beamter mit guten Kontakten, der alles unter Kontrolle haben will. Auch wenn Kostas seine Wege kennt, um unliebsame Vorgesetzte nicht zu verärgern, diesmal beißt er allerdings auf Granit.
Alles beginnt wie immer mit einem Mord. Ein korrupter Angestellter der Tourismusbehörde, der für die Vergabe der Hafenstellplätze zuständig ist und offenbar auch noch mit Drogen handelt, wurde in seinem Haus überfallen und ermordet. Angeblich ein Raubmord, allerdings vergessen die Einbrecher einen dicken Geldstapel, der in der Bettmatratze versteckt ist, mitzunehmen. Für Charitos und seine Assistenten sieht der Fall eher nach Hinrichtung als Raubmord aus. Wie vom Himmel fallen der Polizei auch schnell die Täter vor die Füße. Bei einem Afghanen und einem Pakistaner findet die Polizei die persönlichen Sachen des Ermordeten. Und die beiden gestehen ohne Umstände eine Tat, die sie, und das ahnt Charitos, nicht aus eigenem Antrieb begangen haben. Den Auftragsmord kann die Polizei nicht nachweisen, denn bereits der nächste Tote wartet. Diesmal ein griechischer Reeder, der seit Jahren in London lebt. Charitos lässt seine Beziehungen spielen und erfährt, dass zwei Schiffe des toten Reeders vor kurzer Zeit gesunken sind, es sich aber nicht um Versicherungsbetrug handelt. Und auch hier laufen die Täter, zwei Georgier, der Polizei direkt in die Arme. Ein Auftragsmord, keine Frage, aber nicht nachweisbar. Den Kommissar beschäftigen erneut die dubiosen Firmengründungen durch Banken von den Kaimaninseln. Ein Blogger, namens Poseidon 16, ist ebenfalls beunruhigt und stellt die gleichen Fragen, die Charitos umtreiben. Bevor die Polizei herausfindet, wer dieser Poseidon 16 ist, wird er erschossen und sein Laptop verschwindet. Und diesmal trifft es auch Charitos, denn hinter den provozierenden Texten im Netz steckt ein alter Bekannter, der Journalist Menis Sotiropoulos. Beide Männer waren nicht besten Freunde, aber sie hatten doch fair Informationen ausgetauscht. Und auch hier das gleiche Spiel, ein Iraker gibt sofort zu, dass er den Journalisten ausgeraubt und ermordet hat. Alle Täter scheinen geradezu froh zu sein, in griechische Gefängnisse zu wandern. Als Charitos dann jedoch einen Reeder, ohne Genehmigung seines Vorgesetzten zu den Morden befragt, wird er von einer Sekunde zur anderen suspendiert.
Das jedoch ist kein Hinderungsgrund für den Kommissar mit Rückgrat, um endlich denn wahren Tätern auf die Spur zu kommen.
Petros Markaris packt den Leser kaum durch einen aufregenden Plot, seine Geschichten faszinieren durch die Charakterisierungen der Protagonisten und das Flair der Stadt Athen. Wie verhalten sich Menschen, die ihre Arbeit, auch noch so schlecht bezahlt, behalten wollen? Schlägt man sich auf die Seite des in Ungnade gefallenen Kommissars oder nickt man zu allem, was die Vorgesetzten predigen? Der Sinn für Gerechtigkeit ist nach unguten Erfahrungen, unfähigen Regierungen und Drangsalierungen aller Art vielen Menschen abhanden bekommen, nur Kostas Charitos will die Wahrheit erfahren und die ist bitter.
Schreibe einen Kommentar