Alice Pantermüller,Illustrationen von Annika Görlitz und Josephine Mark: Mein Leben manchmal leicht daneben, Knaur Verlag, München 2019, 448 Seiten, €14,99, 978-3-426-52298-1
„Der Küchenschrank war von unten wellig und schwarz, der Toaster hatte sein Leben ausgehaucht. In der sandigen Diele lagen überall Schuhe herum, in der Besteckschublade war keine Teelöffel mehr, der Zettel mit der Verteilung der Haushaltspflichten hing schmählich missachtet am Kühlschrank. Ein To-do-Liste brauchte Svea sowieso nicht mehr zu führen. Sie würde es ohnehin niemals schaffen, alle Punkte abzuhaken. Na und?“
Svea, die Ich-Erzählerin, verabschiedet ihren gestressten Ehemann Jan im Februar ins wohlverdiente, weil dem Burn-out vorbeugende Sabbatjahr. Ein glücklicher und vor allem kaum vom Alltag gebeugter oder gar kranker Jan berichtet nun per Skype von ausgedehnten Fahrradtouren rund um Montpellier und ausgewählten Restaurantbesuchen mit einer gewissen Agnès. Er sieht allerdings nicht, dass seine Ehefrau von Tag zu Tag gefrusteter ist. Svea kümmert sich um alles, um den Hof in der Nähe von Flensburg und um ihre drei Kinder. Matti ist fünf und ausgewiesener Tierretter, d.h. ein Lama, eine Katze, ein Schäfchen, eine Amsel, ein Eichhörnchen und vieles mehr sind zu versorgen. Die vierzehnjährige Fenna durchlebt die Höhen und unerträglichen Tiefen der Pubertät und der siebzehnjährige Jarne das Flegelalter. Dann ist da noch eine lebensfrohe Freundin namens Katja, die Svea seit ihrer Studienzeit kennt. Svea und sie tauschen Comics über das ach so anstrengende Frauenleben aus. Etwas befremdlich ist, dass eine vierundvierzigjährige Frau, Svea, für Schauspieler Hugh Jackman teeniemäßig schwärmt und es nicht auf die Reihe bekommt, Heizöl zu bestellen und das Auto zum TÜV zu bringen. Aber egal, mit dem wahren Leben hat diese Geschichte sowieso nichts zu tun. Die Erzählerin arbeitet halbtags für die Flensburger Tageszeitung und füllt die Kinderseite mit altersgerechten Artikeln. Auch sie hat sich, glaubt sie, etwas Schönes verdient, denn Frau soll ja nicht zu kurz kommen. Der Plan, Svea wird einen Isländischkurs belegen und ein Wellnesswochenende mit Prosecco, ihrer Schwester Sanne und Freundin Katja verleben. Sveas Mutter soll die Kinderbetreuung übernehmen.
So weit so gut geplant, aber die Umsetzung stellt sich dann doch als absolut schwierig heraus, denn Sveas Mutter hat mit ihren siebzig Jahren das Leben mit Freundin Gudrun für sich neu entdeckt.
Alles was schief laufen kann, läuft dann auch schief. Allerdings wird immer brav Bio gekocht und immer entsteht ein total schlechtes Gewissen, wenn Frau für den Kuchen eine Fertigbackmischung nutzt oder gar kleine Frikadellen im Supermarkt kauft. Die stramm organisierten Landfrauen verkommen zu Karikaturen ihrer selbst und Schulfreundin Kecke, bei der alles perfekt mit Ehemann und wohlgeratenen Kindern läuft, lädt sich wie immer zum Geburtstag ein und nervt alle.
Was Svea im ersten Halbjahr ohne Jan lernen wird, ist das klare Wort „Nein“ und die Tatsache, dass ihre Kinder nicht aus Pappe sind und im Haushalt mithelfen können. Sie leistet sich einen Flirt mit dem Isländischlehrer und hält ihrem Mann allerdings die Treue. Sie vergisst trotz Listen und regelmäßiger Beschimpfung ihrer Kinder ( „doofe Pupsimama!“) so einiges, nagt aber nicht am Hungertuch und kann Abhilfe schaffen. Auf der sozialen wie beruflichen Leiter rutscht dann jedoch Illustratorenfreundin und Alleinerziehende Katja ab, denn Auftraggeber brechen weg. Freiberufliches Arbeiten kann sich heutzutage nur jemand leisten, der einen finanzkräftigen Partner hat, der die Fixkosten und alles andere trägt. Sind das alles lächerliche Luxusprobleme, die Svea zu bewältigen hat? Zum Teil sicher, denn Haus, Familie und Arbeit ( andere Frauen müssen trotz Kinder acht Stunden täglich arbeiten ) werden einem nicht unfreiwillig aufgedrückt, man hat sie sich selbst ausgesucht. Der normale Alltagswahnsinn, wie es dann so schön heißt, spult sich in diesem Roman angeblich vor den Augen der Leserin ohne originelle Wendungen, mit wenig Humor und allzu vielen Problemen ab, zumal auch noch Sveas Schwester nach der Trennung von ihrem faulen, wie desinteressierten Mann mit Kindern zu ihr ziehen wird und auch Katja eine neue Bleibe benötigt. Chaos pur, was kann schöner sein, wenn sich auch Sveas Mama zur rechten Zeit auch noch den Knöchel bricht. Zum Glück hat keine der Frauenfiguren Essprobleme oder will pausenlos vergeblich abnehmen. Dass am Ende sich alles im sonnigen Frankreich in Friede-Freude-Eierkuchen auflöst, steht außer Frage.
Auch Kinderbücher sollen ja ein gutes Ende haben, damit alle friedlich schlafen können.
Bekannt geworden durch die Bestseller-Reihe „Mein Lotta-Leben“, in der die zehnjährige Lotta in Tagebuchform über ihren Alltag erzählt, schreibt Alice Pantermüller nun für Erwachsene.
Witzige Ironie oder gar Selbstironie ist nicht ihre Stärke. Mit Frauensolidarität, die Männer glänzen alle durch Abwesenheit oder Oberflächlichkeit, oder Tiefgang hat auch dieses Buch nichts zu tun.