Max Bentow: Engelsmädchen, Goldmann Verlag, München 2023, 448 Seiten, €18,00, 978-3-442-20641-4
„In der Küche besah sie sich den Tisch mit den Kornblumen und den Frühstücksschalen. Sie streifte sich Latexhandschuhe über und untersuchte den Topf auf dem Herd. Sie warf einen Blick auf das Blut und die eingetrockneten Wachsspuren am Boden, dann trat sie auf den Hof hinaus.“
Grausig sind die brutalen Taten, die an harmlosen Paaren, einmal in Berlin – Lichterfelde, einmal im Brandenburger Ort Schildow, verübt werden. Der Täter / die Täterin dringt in die Häuser ein und wütet mit der Axt und heißem Wachs. Seltsamerweise bleibt am Tatort immer ein wohlfeil gedeckter Frühstückstisch und ein Äffchen zurück. Die Kriminalpsychologin Carlotta Weiss ist völlig entsetzt, als sie zum ersten Mal das ermordete Paar sieht. Denn sie selbst hat ebenfalls nach einer Nacht mit einem Mann namens Viktor, den sie eher abgewehrt hat, erkannt, dass sie unter Drogen gesetzt wurde. Als sie erwachte, sah sie ein Äffchen, dass ihr um den Hals gebunden wurde und ein Kreuz aus Wachs auf ihrem Oberkörper. Eine Zeit später wird sie ein Paket mit dem verwesten Kopf von Viktor erhalten.
Also, hier spricht niemand von Cosy Crime, sondern von wahrhaft blutigen Tatorten und Opfern, die extrem leiden mussten. Auch die Figur, die die Taten vollbringt, kommt aus der Ich – Perspektive zu Wort.
Als ein junges, offensichtlich sehr verwirrtes Mädchen mit einem Engeltattoo auf dem Rücken auf ein Haus zwischen Alexanderstraße und Karl-Marx-Allee steigt, hofft die Polizei auf Carlottas Hilfe. Bevor das Mädchen springt, sagt sie ihren Namen: Annabel Lund. Gemeinsam mit Nils Trojan vom LKA Berlin und der 5. Mordkommission und den Eltern der vermissten Anna Lund, wird Carlotta herausfinden, dass die Unbekannte auf dem Haus nicht Anna Lund ist. Carlotta will unbedingt herausfinden, warum dieses Mädchen keinen anderen Ausweg gesehen hat, als sich selbst zu töten. Auch bei den Axtmorden, die im Zusammenhang mit jungen Mädchen stehen, werden Nils Trojan, zum Leidwesen seines Chefs, und die introvertierte, ziemlich unkonventionell agierende Carlotta Weiss zusammenarbeiten.
Mit den Einbrüchen in die wohlgeordnete, sichere Welt der Opfer scheint der Täter / die Täterin ein Zeichen setzen zu wollen. Carlotta bleibt gern an den Tatorten zurück und versucht, sich in Opfer wie Mörder oder Mörderin hineinzuversetzen. Offensichtlich werden vor den Überfällen immer Wachsfiguren modelliert. Als Carlotta diese Figuren sieht und anfängt, mehr über die einsamen Mädchen auf den Straßen von Berlin zu erfahren, verändert sich auch ihr eigenes Verhalten. Als sie selbst dann am zweiten Tatort bei ihren Recherchen mit einer Axt angegriffen wird und das ominöse Paket vor der Tür liegt, muss sie Nils Trojan von ihrer indirekten Begegnung mit dem Täter / der Täterin erzählen. Nach und nach ergibt sich ein Bild von jungen Mädchen, Drogen, Helfern und Männern, die die Lage der Mädchen ausnutzen. Carlotta kommt allem immer näher, insbesondere als sie die Polizei auf die richtige Spur bringt, die so verrückt es klingt mit dem schwedischen, weltweit bekannten Kinderbuch „Pipi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren zu tun hat.
Nichts für schwache Nerven oder ängstliche Personen sind die Krimis von Max Bentow, verfasst nach dem Motto, was die Schweden können, können wir schon lang. Allerdings wirken die Morde und deren Verbindung zu den Engelsmädchen sehr weit hergeholt und die, wie sich dann herausstellt, enge Verknüpfung zu Carlotta extrem konstruiert.