Nina Blazon: Liebten wir, Ullstein Verlag, Berlin 2015, 560 Seiten, €9,99, 978-3-5482-8577-1
„Menschen haben Geheimnisse. Ausgerechnet Aino sollte das wissen.“
Ein ungleiches Paar begibt sich auf den Weg nach Helsinki, Moira, die junge Fotografin, die nach den griechischen Schicksalsgöttinnen benannt wurde und Aino, eine gebrechliche grimmige alte Frau im Rollstuhl. Dabei kennen die beiden sich gar nicht. Moira, auch Mo genannt, lebt seit kurzem mit Leo, dem Enkel der Alten zusammen und beide sehen sich zum ersten Mal auf der Geburtstagsfeier von Leos Vater Michael. Mo liebt Familienkonstellationen. Sie fotografiert allzu gern Hochzeiten, um in ihren Bildern innige Beziehungen wie abgrundtiefen Hass zwischen Familienmitgliedern dezent festzuhalten. Sie hat einfach einen Blick für Unausgesprochenes. Auch in ihrer Familie schwelgen diese Konflikte seit Jahren. So hat sie ein gespanntes Verhältnis zu ihrer Schwester Danae und zu ihrem Vater, der wieder eine neue Frau und neuerdings auch ein Kind mit ihr hat. Als Leo Mo bittet ihn zur Familienfeier mitzunehmen, will er auch zu gern Danae kennenlernen. Er ahnt nicht, wie sehr ihn diese Schwester, die als Anwältin Autorität und als Frau Attraktivität ausstrahlt, beeindrucken wird. Als Mo bemerkt, das Leo Danae geküsst hat, haut sich ab. Im Schlepptau die offensichtlich verwirrte alte Aino versucht Mo diese loszuwerden, aber Aino zwingt Mo sie nach Norden zu fahren. Mit geklautem Geld und der Polizei im Nacken gehen die beiden auf die Fähre nach Finnland und ein Abenteuer beginnt.
Bevor dies alles geschieht, hatte Mo einen Brief erhalten. Sie soll einen Karton von einer unbekannten Frau abholen. Dieser Karton ist von Suzana, der Frau, die Mo mit Schlägen und Gehässigkeiten aufgezogen hat. Mos immer abwesender Vater hatte ihr die Hochzeit versprochen, aber nie eingelöst. Danae war längst im Internat und verfolgte ihre eigenen Wege. Suzana ist verstorben und übt auf ihre Weise im Nachhinein noch Rache. Das ahnt Mo.
Familie, um dieses heikle Thema, kreist Nina Blazons Roman. Die Autorin hat sich einen Namen mit ihrer fantastischen Literatur für jugendliche Leser gemacht. Nun legt sie eine spannende Handlung, aus der Sicht von Mo erzählt, vor, in der es um gegenwärtige wie längst vergangene und doch immer noch aufwühlende Geschichten geht.
Aino, eine unberechenbare, mal zugängliche dann wieder abweisende Person, hat ein Aquarell ihrer damaligen Freundin Matilda entdeckt. Als dieses Bild entstand, so glaubte, Aino, sei Matilda bereits tot. Das hatte die Familie so weitergegeben. Als die beiden Frauen sich kennenlernten wurde Helsinki unter Beschuss genommen und die 14-jährige Aino rettete einem Mädchen das Leben. Matilda bewunderte sie dafür und das Arbeiterkind Aino und die aus wohlhabenden Haus stammende Matilda, die in Paris Malerin werden wollte, wurden Freundinnen. Und doch hat Matilda Aino etwas verschwiegen. Warum und was damals geschehen ist, das will Aino, die ahnt, dass sie nicht mehr lang zu leben hat, herausfinden. Und sie will, das erkennt Mo allerdings zu spät, sich rächen.
Beharrlich verfolgt Aino die Spur des Bildes und gelangt an ihr Ziel. Sie lernen Aarto kennen, einen Verwandten von Matilda, der ohne es zu ahnen ihre Hinterlassenschaften von seinem Vater in seiner Wohnung aufbewahrt. Aino quartiert sich und Mo bei ihm ein und die Suche nach der Vergangenheit kann beginnen.
Auch Aarto verweigert jeglichen Familiensinn und brüskiert Mo damit, die sich doch immer ein intaktes Familienleben gewünscht hat. Sie, die immer einsam und ein sogenannter Freak war, hat sich sogar bei einer Familie als Kind einquartiert, sogar das Familienalbum gestohlen, um sich per Foto im Kreis ihrer Wunschfamilie zu verewigen.
Nina Blazon taucht tief in die Strukturen verschiedener Familien ein, ob es nun die Leons ist oder die zerrüttete von Mo. Die Autorin neigt etwas zur Melodramatik und fängt doch alles wieder durch ihre überzeugend konstruierte Geschichte auf. Jede Figur gewinnt bei Nina Blazon individuelle Gestalt, am stärksten jedoch sind die Frauen, die sich auf ihre Weise im Leben behaupten müssen.
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