Alex Wheatle: Liccle Bit – Der Kleine aus Crongton, Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch, Antje Kunstmann Verlag, München 2018, 252 Seiten, €18,00, 978-3-95614-231-4
„Ich wollte die Pistole wegwerfen, aber Nightlife, Smolenko und Nicholas Dyson waren alle tot. Und wenn ich am nächsten Tag nicht um fünf Uhr am Supermarkt auftauchen würde, würde Manjaro mich vielleicht auch umbringen.“
Der 14-jährige Lemar, genannt Liccle Bit, wächst in einem Multikulti-Viertel auf, in dem sich die Revierkämpfe auf den Straßen abspielen. Zwei Gangs bekämpfen sich erbittert und Jugendliche, ja fast noch Kinder, werden erschossen. Lemars große Schwester Elaine war die Freundin von Manjaro, einen der Gangster. Er hat sie geschwängert, sie musste die Schule abbrechen und seit sie ihn mit einer anderen Frau erwischt hat, ist die Beziehung beendet. Über Lemar versucht Manjaro Kontakt zu seinem Sohn Jerome herzustellen. Er weiß, dass die Familie wenig Geld hat, denn die einzige, die verdient ist Lemars Mutter. Als Verkäuferin bringt sie ihre Kinder und ihre Mutter durch, seit ihr Mann eine neue Familie gegründet hat und sie nicht finanziell unterstützt. Innerhalb der Familie werden Konflikte lauthals ausgetragen, es wird viel geschrien und geschlagen. Wenn sich Lemar zurückzieht, dann zeichnet er am liebsten und scheint auch Talent zu haben. Sogar eine der beliebtesten Mitschülerinnen, Venetia King, möchte Lemar Porträt stehen. Natürlich bildet sich Lemar darauf etwas ein und glaubt, dass sie, auch wenn er viel kleiner ist als sie, sich für ihn interessiert. Ziemlich bitter wird es, als der Junge seine Gefühle gesteht und erst dann begreift, dass Venetia einen älteren Freund sogar mit Motorrad hat. Lemar ist völlig zerrissen zwischen seinen Gefühlen, seiner Unsicherheit und seiner Position zwischen lauter Frauen.
Lemar erfüllt kleine Aufträge für Manjara, denn auch er möchte einfach die angesagten Klamotten tragen. Der Junge ahnt, dass dieser Kontakt kein gutes Ende nehmen kann. Es herrscht ein rauer Ton in der Familie, auf der Straße, zwischen Elaine und Lemar.
Erzählt wird aus der Sicht Lemars, der sogar in den kursiven Texten seine eigenen Gedanken neben den Beschreibungen des Wohnviertels und der Geschehnisse festhält.
Auch wenn Lemar mit seinen Kumpels abhängt, irgendwie fehlt ihm der Vater. Alle Frauen in der Familie sagen ihm ständig, was er zu tun und zu lassen hat, sie meckern und fordern. Als Lemar jedoch andeutet, dass er zu seinem Vater vielleicht mal für eine Woche ziehen möchte, flippt seine Mutter völlig aus. Die angeheizte Situation wird für Lemar noch viel brenzliger, als er beschließt, nachdem Elaine ihn ziemlich verprügelt hat, zum Vater kurz nach Mitternacht zu gehen. Aber der Vater hat eine kranke Tochter und ist gerade auf dem Weg ins Krankenhaus. Er schickt den Jungen wieder nach Hause und Lemar wird von Manjaro aufgegriffen. Jetzt hat die Gang Lemar in ihren Fängen und der Junge beobachtet, wie Gangmitglieder behandelt werden, die den Boss hintergehen.
Auch Lemar soll wieder ein Päckchen bei sich verstecken und natürlich ahnt er, dass das die Pistole ist, mit der jemand erschossen wurde.
Die Handlung eskaliert als Lemar in einer kleinen Galerie ausstellen darf, aber zum gleichen Zeitpunkt einen Auftrag für Manjaro ausführen soll.
Der amerikanische Autor Alex Wheatle erzählt von zwei Monaten im Leben seiner Hauptfigur, die immer mehr in die Fänge des Gangsterbosses gerät und sich nicht herauswinden kann. Um sich keine Blöße zu geben und aus Schuldgefühlen heraus, bittet Lemar nicht um Hilfe, sondern versucht die Dinge allein zu klären und gerät in ein moralisches Dilemma.
Lebendig erzählt kann diese Geschichte auf jeden Fall auch jugendliche Leser anziehen.
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