Angelika Waldis: Lauter nette Menschen, Wunderraum im Goldmann Verlag, München 2021, 254 Seiten, €20,00, 978-3-442-31589-5
„Sie muss ihn loswerden, den albanischen Polizisten, den sie sich angeschafft hat aus verlegener oder verlogener Hilfsbereitschaft. Sie kann die Vorstellung nicht aushalten, dass sie jeden Tag seinem Blick ausweichen muss.“
Der Leser darf dem Leben der netten Familie Dreher mit ihrem Kater Herrn Petermann ein Jahr lang folgen. Heiner und Inge sind seit gut sechzehn Jahren verheiratet, man hat ein großes Haus und zwei mehr oder weniger gut geratene Söhne. Der sechzehnjährige Nick mit den guten Noten sehnt sich nach Sex mit der leicht ordinären Nora aus Rumänien und Josch klaut wie ein Rabe.
Aus der Sicht von allen vier Familienmitgliedern erzählt Angelika Waldis mit leicht ironischem Unterton vom Alltag. Inge hat sich in den Kopf gesetzt, dass sie einen Geflüchteten oder wie die Jungen eher sagen Asylanten aufnehmen möchte. Tarek mit den großen Problemen und tief dunklen Augen fällt ihr sofort auf.
Flugs wird das Kellerzimmer geräumt, wobei Heiner alle Möbel seiner Mutter, die auf dem Sperrmüll landen wieder einsammelt und ins Gartenhäuschen, seinem künftigen Domizil, bringt.
Heiner geht gern mit Worten um, aber den Mund macht er gegenüber seiner Frau nicht auf.
Dieses ständige irgendetwas Wollen versteht er nicht, auch Josch möchte am liebsten gar nichts.
Inge arbeitet Teilzeit als Englischlehrerin und fühlt sich zu Höherem berufen. Zwar erfährt sie, warum Tarek sein Heimatland Albanien verlassen hat, aber die Details will sie eigentlich gar nicht wissen. Heiner empfindet Tarek, der eigentlich sehr ruhig und fast unsichtbar im Haus lebt, als Eindringling. Dabei hat Heiner eher mit seiner ständig seufzenden Sekretärin mit den dicken Oberschenkeln mehr Probleme. Neben seinen gedichteten Haikus verfasst er einfach empörte Briefe, die ihn als Frauenbelästiger enttarnen. So hofft er, die verhasste Sekretärin loszuwerden. Leicht weltfremd gedacht, hätte ihm jeder sagen können, dass diese Geschichte nach hinten losgeht.
Im Laufe des Jahres jedenfalls entspinnen sich fast erwartbare Ereignisse im Hause der Drehers.
Angelika Waldis enttarnt die Selbstgefälligkeit der gut situierten Bürger, die Gutes tun wollen und nicht mal ahnen, was im eigenen Haus vor sich geht.
„… als würde da ein Spruchband vorbeiziehen: Schaut mal her, wie großzügig wird sind.“
Eigentlich hat Inge alles im Griff. Nur dann büxt Heiner mal kurz nach Island aus, Inge hat ein sexuelles Verhältnis mit Tarek ( zu Hause in Albanien sitzen Ehefrau und frisches Baby ), Josch klaut mit Pietro um die Wette und Nick hat Nora vielleicht ein Kind gemacht. Und dann stimmt auch noch Tareks Fluchtgeschichte nicht. Alles könnte nun den Bach hinuntergehen, aber die Drehers haben immer mehr Schwein als Verstand.
Immer wieder legt die Autorin sprachlich gewitzt und gut beobachtet den Finger in die Wunde.
Dabei bleibt einem allerdings oftmals das Lachen im Halse stecken.