Anna Woltz: Kükensommer, Aus dem Niederländischen von Bettina Bach und Eva Schweikart, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2015, 158 Seiten, €10,95, 978-3-423-76115-4
„Aber ich freue mich schon das ganze Schuljahr auf den Sommer. Auf sechs Wochen Ferien. Weil ich dann genau das machen kann, was ich möchte. Nur mit den Leuten rede, mit denen ich reden möchte. Und Papa bei der Gartenarbeit helfen darf.“
Die zehnjährige Flora liebt Tiere über alles, aber sie darf, obwohl sie auf dem Dorf lebt, kein noch so kleines Haustier besitzen. Eins ist sicher, wenn Flora mal selbst Kinder bekommt, dann nur ein Mädchen, denn Flora hat vier große Brüder. Und dieses Mädchen darf sich Haustiere ohne Ende anschaffen. Und es muss nie mit anderen Kindern reden, besonders nicht mit solchen, die einfach nur nerven. Die rothaarige Evi ist so ein Mädchen, dass als Stadtkind nur im Kommandoton redet und allen gleich von ihrer toten Mutter erzählt. Allerdings ist diese vor sieben Jahren gestorben und nun will ihr Vater wieder heiraten. Josien heißt die Auserwählte, stammt aus Ost-Groningen und ist mit ihrer Igelfrisur nicht besonders attraktiv. Evi hasst sie und wünscht sie eindeutig auf den Mond. Als Floras Vater als Landschaftsgärtner im Garten der Villa gegenüber von ihrem Haus seine Arbeit beginnt, freuen sich beide auf den Sommer. Als Flora jedoch feststellt, dass ihre neue Nachbarin Evi ist, verkleinert sich der Arbeitselan. Evi führt sich auf wie eine Königin, sie prahlt mit ihrem Reichtum und betont, wie armselig Flora leben muss, ohne großen Fernseher und schickem Fahrrad.
An Flora prallen diese dummen Bemerkungen einfach nur ab. Sie findet ein weiches, braunes, brütendes Huhn im Garten und nimmt es einfach mit nach Hause in ihr Dachstubenzimmer. Merle soll das Huhn heißen. Eigentlich wollte ja Flora das Huhn am nächsten Tag zurückbringen, aber dann hat sie alles über Hühner im Internet nachgelesen und erfahren, dass sie Merle ruhig befruchtete Eier unterlegen könnte. Schnell sind die Eier bestellt, allerdings fehlt es am nötigen Kleingeld. Aber das hat ja die aufdringliche Evi. Und dann treffen die zwei auch noch den hilfsbereiten Nick und schon haben die drei ein Geheimnis und ein gemeinsames Huhn, das in Floras Kleiderschrank sieben Eier ausbrüten soll.
Immer öfter und lauter streiten Evi und Josien, die sich so viel Mühe gibt. Evi hasst eigentlich Hühner und das Land. Und sie ist sauer auf den Vater.
Ohne zu ahnen, was geschehen könnte, eskaliert ein heftiger Streit zwischen der künftigen Stiefmutter und Evi und plötzlich stürzt Josien die Treppe hinunter.
Evi packt schon mal ihre Koffer fürs Gefängnis, denn sie hat Josien zwar nicht gestoßen, ihr aber den Tod lauthals gewünscht. Oder wäre eine Option sich mal bei Josien zu entschuldigen, zumal Josien Evis Vater nicht mehr heiraten will?
Der Konflikt der ganzen Geschichte dreht sich nicht ums Huhn und den Zank mit den Eltern von Flora, sondern um die einsame und verwöhnte Evi und ihre vehemente Ablehnung der künftigen Stiefmutter. Evi will nicht als Ei einer fremden Mutter untergeschoben werden. Dabei interessiert Huhn Merle gar nicht, ob die Eier von ihr sind. Sie brütet und wird sich um die Küken kümmern. Bei Menschen ist das etwas komplizierter und davon erzählt diese herrliche Alltagsgeschichte aus den Niederlanden. Auch wenn ein weinender Vater ein schrecklicher Anblick ist, kommt Evis Sinneswandel innerhalb der Handlung ein bisschen zu schnell.
Und doch die Geschichte ist glaubhaft und Leser lernen eine Menge über Hühner und ihre Küken.
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