Johanna Mo: Nebelstunde, Aus dem Schwedischen von Ulrike Brauns, Heyne Verlag, München 2024, 496 Seiten, €16.00, 978-3-453-42857-7
„ Und so vieles ist nicht richtig abgeschlossen. Seit der Diagnose hat er sich in Selbstmitleid gesuhlt. Voller Verbitterung hat er viel wichtige Zeit vergeudet.“
Um immer wieder die Fortsetzungen von durchaus dicken Kriminalromanen zu lesen, muss man die Ermittler oder Ermittlerinnen wirklich mögen. Bei der Hanna Duncker-Reihe fällt es nicht schwer, denn die nun schwangere Polizistin ist eine sympathische Figur, die nun mit ihrem Freund Ivar auf Öland zusammenlebt. Johanna Mo hat ihre Handlung so aufgebaut, dass man auch ohne Vorgängerbände der Handlung gut folgen kann, zumal alles, was in der Vergangenheit geschehen ist, genauestens rekapituliert wird. Jemand hatte Hannas Haus in Brand gesteckt und der oder die Täter sind auf freiem Fuß. Als Hanna eines Tages im März ein Päckchen bekommt, findet sie einen Holzvogel, den der Brandstifter aus ihrem Haus vor der Tat gestohlen hat. Auch in diesem Band, Achtung Spoiler, wird der Täter nicht gefasst.
Im Zentrum der Geschichte steht der Mord an Vidar Johansson, der einst die große Liebe von Hannas Nachbarin, Ingrid Mattsson, war. Beide sind sich nach Jahren wieder begegnet. Und der fast 500 Seiten starke Krimi berichtet von der Gerichtsverhandlung, die darüber entscheiden muss, wer vor siebzehn Jahren wirklich Ester Jensen ermordet hat. Beschuldigt wurde einst Hannas Vater, der im Gefängnis saß und sich nach seiner Entlassung zu Tode getrunken hatte. Er hatte 2003 die Tat auf sich genommen, da sein Sohn Kristoffer ihn damals kontaktierte und klar wurde, dass er in die Tat verwickelt war. Der wahre Täter jedoch soll ein Freund von Kristoffer sein. Axel Sandsten lebt jedoch heute als unbescholtener Bürger. Er wurde damals angeblich von Ester Jensens Ex-Mann Sven Otto zu dem Mord angestiftet. Zeugen werden nun befragt und auch Hanna setzt sich immer wieder in den Zuschauerraum. Als ihre Freundin Rebecka, wahrscheinlich durch Freunde von Sandsten bedroht wird, will diese ihre Aussage zurückziehen. Für Hanna ist es sehr wichtig, dass ihr Vater rehabilitiert wird, und wie sie zu ihrem Bruder Kristoffer eine normale Beziehung aufbauen kann. Parallel zur Gerichtsverhandlung durchlaufen die Lesenden den letzten Tag des fast achtzigjährigen Opfers Vidar. Überschattet wird die gesamte Geschichte durch den Ausbruch des Corona-Virus und die Reaktionen der handelnden Personen, von Verharmlosung bis Hysterie.
Vidar jedenfalls war ein schwieriger Zeitgenosse, der sich mit allen alten Nachbarn und seinem einzigen Neffen Albert angelegt hatte. Albert jedoch ist hoch verschuldet und spekuliert auf die Ersparnisse des Onkels. Bei Vidar wurde diagnostiziert, dass er im Anfangsstadium einer fortschreitenden Demenz sei. Seine aggressiven Wutausbrüche und seine zeitweilige Verwirrtheit belegten seinen Zustand, den er nicht wahrhaben wollte. Der Zettel neben der Leiche mit den Worten: „Ich kann nicht mehr“ suggerieren einen Selbstmord, sind aber wirklich dilettantisch platziert und niemals von Vidars Hand geschrieben worden. Erik, ein wichtiger Vertrauter an Hannas Seite, ermittelt mal mit, mal ohne Hanna, wie es so schön heißt, in alle Richtungen. Dabei stoßen sie auch auf eine Person, die in Vidars Vergangenheit, und das weiß Ingrid ganz genau, eine wichtige Rolle gespielt hat. Dieser polizeilichen Kleinarbeit zu folgen, regt die eigenen kriminalistischen Fähigkeiten bei den Lesenden an.
Noch im Frühstadium, gerade hatte ein chinesischer Tourist das Virus in Österreich eingeschleppt, erkranken auch die ersten Schweden, so auch Ingrid.
Johanna Mo schafft es, dass ihre Figuren lebendig erscheinen und ihre beruflichen wie privaten Geschichten weder aufgesetzt noch unglaubwürdig wirken. Aus diesem Grund folgt man gern der Handlung, denn sie ist gut erzählt und spannend bis zum Ende.
Allerdings sollte im nächsten Band der Brandstifter endlich gefasst werden!